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Banken und Versicherer in der Krise

Der Leiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Mark Branson, hat den alljährlich erscheinenden Risikobericht vorgestellt, der die Stabilität des deutschen Finanzsystems untersucht. Im Bermudadreieck von Ukraine-Krieg, Covid-Epidemie und steigender Inflation fehlt es nicht an Gefahren – auch für das Finanzsystem sowie für Banken und Versicherungen. Dabei geht es Mark Branson nicht in erster Linie um die direkte Wirkung der Sanktionen, der hohen Energiepreise oder eines drohenden weiteren Lockdowns. Er spricht eher von Zweit- oder Drittrunden-Effekten, die es gilt, aufzuzeigen und zu analysieren, damit rechtzeitig im Sinne der Stabilisierung Maßnahmen durch die Institution durchgeführt werden können.

Wellen von Risiken

So ist der Blick auch auf die Hemmnisse für das Wirtschaftswachstum und die Handelsbeziehungen zu richten, nicht nur, aber natürlich in erster Linie auf das menschliche Leid, welches die Zerstörungen des Krieges im Osten Europas nach sich zieht. Es kommt zu Lieferengpässen bei der Energie und beim Getreide. Massive Preissteigerungen sind die Folge, die im Weiteren zu einer insgesamt steigenden Inflation führen. Im Mai des laufenden Jahres wurden die Inflationsraten des April noch einmal übertroffen. Das hat Folgen für die Risikolandschaft, die Branson skizziert. Dabei weist er darauf hin, dass dies nicht vollständig sein kann, weil es eben zu vielen Interdependenzen kommt, die insgesamt den Risikopegel steigen lassen.

Auch wenn die Europäische Zentralbank bisher nur äußerst vorsichtig agiert hat und sich bisher nicht zu einem Anheben des Zinsniveaus hat durchringen können, steigen die Zinsen bereits wieder. Das seit langem niedrige Zinsniveau ist aber noch eine Belastung für die Banken und vor allem für Lebensversicherer und Pensionskassen. Traditionell waren für die Banken und Sparkassen die Zinsüberschüsse ein wichtiger Beitrag zu den Erträgen. Auch den Versicherern hat das niedrige Zinsniveau bei der Anlage der Beiträge ihrer Kunden viele Schwierigkeiten gemacht. Es galt und gilt, Verträge zu bedienen, die für die Versicherung aufgrund fehlender solider Einnahmen in der Geldanlage geradezu zu einer Last wurden. Die BaFin hat reagiert und eine ganze Reihe von Instituten unter die Lupe genommen, einem Stresstest unterworfen und geprüft, ob die Häuser ihren Verpflichtungen nachkommen können. In der anhaltenden Niedrigzinsphase bei hoher Inflation sind die Versicherungen gefordert, steigende Kosten zu tragen, ein möglicherweise rückläufiges Neugeschäft zu bewältigen und sich mit einer nachlassenden Kaufkraft ihrer potenziellen Kunden auseinandersetzen zu müssen. Immerhin würden durch eine Zinsanhebung dann wieder höhere Kapitalerträge bei der Wiederanlage der Mittel möglich.

Schwieriger Übergang zu höheren Zinsen

Dagegen würden die Banken vor allem bei einer abrupten Zinserhöhung in die Bredouille geraten. Die kurzfristige Refinanzierung würde für die Häuser teurer und auf der anderen Seite würden die Zinserträge aufgrund der langen Zinsbindungen nur langsam steigen. Die Banken sind aber, sofern sie Immobilienkredite vergeben, noch von weiteren Gefahren bedroht. Nicht nur die Bundesbank hat in Gutachten festgestellt, dass Immobilien in Deutschland wohl um 20 bis 30 Prozent überbewertet sind. Der Wert der Immobilien wie ihn der Markt darstellt, hat sich bekanntlich von den Einkommen der Bürger abgekoppelt. Häuser werden immer unerschwinglicher. Sollte es jetzt noch zu einer Wirtschaftskrise kommen, in deren Folge die Arbeitslosigkeit steigt, so drohen bei den Wohnungsdarlehen Ausfälle, weil die Hausbesitzer die Kredite nicht mehr bedienen können. Mit den Verwertungen wiederum würde der Markt für Immobilien überschwemmt, die Preise würden fallen und die Sicherheiten wertloser. Ausfälle bei den Krediten und den Sicherheiten gäbe es im Zuge einer Wirtschaftskrise auch bei Gewerbeimmobilien, bei denen viele Banken direkt engagiert sind. Auch hier ist die BaFin tätig geworden – sie prüft die Kreditvergabestandards der Banken und Versicherer und die Werthaltigkeit der Sicherheiten.

Die geschmälerten Erträge im Zeichen niedriger Zinsen haben auch zu einem beispiellosen Boom an den Aktien- und Rentenmärkten geführt. Deren Aufwärtsbewegung, die ganz wesentlich auch von einem Überschuss an Liquidität und der Suche nach Anlagemöglichkeiten getrieben war, könnte ins Stocken geraten und zu einer Vernichtung von Vermögenswerten führen. In dieser Situation spielt auch eine Rolle, dass die traditionellen Finanzmärkte und deren Akteure in vielen Fällen abgelöst worden sind von Schattenbanken und spekulativen Plätzen, die für ihre Akteure hochriskant und von der Aufsicht nur schwer zu kontrollieren sind. Branson führte aus, dass die Aufsicht alles tut, um auch hier Transparenz zu schaffen.

Und auch noch Cyber-Attacken und Geldwäsche

Ein Risiko sieht die Aufsicht insgesamt in der Verschuldung der Unternehmen. So erwähnt sie auch die ausbleibende Insolvenzwelle und die Gefahren, die sich durch die beispiellosen Hilfsmaßnahmen von staatlicher Seite ergeben können. Es geht darum, die Kreditportfolien der Banken im Hinblick auf energieintensive oder rohstoffabhängige Unternehmen zu untersuchen, um zu verhindern, dass mit einem Auslaufen der Stützungsmaßnahmen doch noch eine Insolvenzwelle unterwegs ist, die die Stabilität mancher Bank gefährden könnte.

Schließlich macht der Risikobericht noch auf die Gefahren durch Cyber-Attacken aufmerksam. Die Digitalisierung erfasst immer intensiver auch die Finanzwelt. Die Einrichtung von Homeoffices oder die Abhängigkeit von großen Software-Häusern schafft Einfahrtstore für kriminelle Aktivitäten, die zu Systemausfällen führen. Banken und Versicherungen sind in ihrer Existenz gefährdet, wenn es Hackern gelingt, ihre Firewalls zu überwinden. Hier stimmt man sich mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und anderen Institutionen ab, um diese Angriffe unter Kontrolle zu bringen. Gerade in Kriegszeiten werden solche Cyber-Angriffe zu einem Mittel der Wahl, um Gegner zu schwächen. 

Schließlich geht Branson auch noch auf Risiken ein, wie sie durch die Geldwäsche und einen Mangel an Nachhaltigkeit im Finanzsystem zu erkennen sind. Insgesamt sind die Ausführungen von großer Deutlichkeit und Klarheit, was gerade in schwierigen Zeiten in manchen politischen Statements leider fehlt.

Quelle: „Die Stabilität des deutschen Finanzsystems“, Statement von Mark Branson, Präsident der BaFin



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