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Finanzierungskosten noch zu stemmen?

Die Zinswende ist da. Kurz vor dem Jahreswechsel erhöhte die EZB noch einmal die Leitzinsen. Sie stehen nunmehr bei 2,5 Prozent und damit auf einem Niveau, das im Zeichen der Nullzinspolitik vergessen schien.

Die hohe Inflation im Euroraum – und nicht nur dort – machte bei zweistelligen Raten ein Handeln notwendig. Wie gewöhnlich hatte die amerikanische Fed bereits früher und beherzter die Zinsen erhöht. In Europa und in Amerika wird allerdings gleichermaßen auch Kritik daran geübt. Während nämlich Zinserhöhungen sonst ein Mittel sind, eine überhitzte Konjunktur abzukühlen, sehen sich die Notenbanken aktuell mit schlechten Werten aus der Wirtschaft konfrontiert. Die Konjunktur hat sich verschlechtert, in vielen Volkswirtschaften steht nur noch eine Null vor dem Komma. Wer nun die Finanzierung teurer macht und bei hohen Einkaufspreisen und Lieferengpässen möglicherweise für Schwierigkeiten bei den Krediten sorgt, der muss sehr vorsichtig sein, will er das Zinsniveau noch weiter anheben. Die Politik der EZB wandelt auf einem schmalen Grat, ein Abgrund auf der einen Seite durch eine Rezession, auf der anderen Seite durch eine galoppierende Inflation.

Ein schmaler Grat

Die Frage lautet: Können die Unternehmen bei rückläufigen Aufträgen ihre Fremdfinanzierung noch stemmen? Eigenkapital ist in den letzten zehn Jahren ein wenig aus der Mode gekommen. Günstige Kredite standen zur Verfügung, die Erträge waren gut und erlaubten es, den Anteil der Fremdfinanzierung zu vergrößern. Aber können die Betriebe den jährlichen Zinsaufwand aus den schmaleren Gewinnen jetzt noch bei höheren Zinsen bedienen? Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat den Zinsdeckungsgrad untersucht. Es geht darum, zu sehen, ob das operative Ergebnis (EBIT) groß genug ist, um die Zinsen zu zahlen. Dies ist dann der Fall, wenn die entsprechende Kennziffer zum Zinsdeckungsgrad 1 beträgt.

Ein Wert unter 1 zeigt eine Gefährdung an. Das Unternehmen hat möglicherweise nicht mehr genug Liquidität, um seine betriebliche Arbeit fortzusetzen. Eine finanzielle Schieflage droht. Auf Basis der Werte aus der Creditreform Bilanzdatenbank wurde von 6.000 Unternehmen für den Zeitraum von 2019 bis 2021 der Zinsdeckungsgrad ermittelt. Dabei wurden das EBIT ebenso wie die Zinsaufwendungen über die genannten drei Jahre zu einem Durchschnittswert verdichtet. In die Untersuchung gingen nur fremdfinanzierte Unternehmen ein – wer keine Kredite in Anspruch nahm, blieb außen vor. Im Hinblick auf den Untersuchungszeitraum ist anzumerken, dass im zweiten Jahr die Pandemie begann, die durch ihre Lockdown-Maßnahmen viele Betriebe an den Rand drängte. Manches Unternehmen hat nur durch staatliche Hilfen überlebt. Schließlich wurden die Ergebnisse aus den genannten Jahren dem Zeitraum 2014 bis 2016 zum Vergleich gegenübergestellt.

Dabei bleibt zunächst festzuhalten, dass für die Jahre 2019 bis 2021 noch keine Zinserhöhungen angesetzt worden waren. Die letzten verfügbaren Zahlen geben also an, mit welchem Rüstzeug die Betriebe in die teurere Finanzierung gehen. Immerhin ist ein knappes Fünftel aller fremdfinanzierten Unternehmen in Deutschland nicht in der Lage, seinen Schuldendienst adäquat zu bedienen. Bei 16,5 Prozent der Betriebe in der Gesamtwirtschaft ist der Zinsdeckungsgrad sogar negativ. Davon sind größere Unternehmen mit einer Bilanzsumme von über 500 Mio. Euro stärker betroffen: Sie sind mit 19,8 Prozent vertreten, kleine und mittlere Unternehmen mit einer Bilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro mit 16,7 Prozent. Unter den Wirtschaftsbereichen finden sich die meisten Unternehmen mit negativer Schuldentragfähigkeit bei den Dienstleistern (20,2 Prozent) – beim Verarbeitenden Gewerbe sind es 16,6 Prozent, beim Baugewerbe 10,5 Prozent und beim Handel 10,4 Prozent.

Krise genutzt – Eigenmittel verstärkt

Interessant ist die Tatsache, dass im Zeichen der Krise nicht nur mehr Betriebe mit einem schlechten Zinsdeckungsgrad zu finden sind, sondern auf der anderen Seite auch eine Vielzahl von Unternehmen mit sehr guten Werten. Fast vierzig Prozent aller KMU haben einen Zinsdeckungsgrad von 10 oder höher. Im Baugewerbe ist sogar mehr als jedes zweite Unternehmen so stabil im Hinblick auf die Finanzierung und deren Kapitalkosten aufgestellt (53,5 Prozent). Eine Entwicklung, die bezeichnend für Krisensituationen ist. Die Betriebe versuchen sich möglichst im hohen Maße aus Eigenmitteln zu finanzieren und auf eine Fremdfinanzierung mit den entsprechenden Kosten zu verzichten.

Ein Vergleich mit dem Zeitraum 2014 bis 2016 macht deutlich, dass im aktuellen Bereich eine höhere Zahl von Unternehmen mit einem Zinsdeckungsgrad von 10 und höher zu finden ist: Es waren 2019 bis 2021 35,2 Prozent und 2014 bis 2016 32,6 Prozent aller Unternehmen. Allerdings ist in der aktuellen Krise auch die Zahl der Unternehmen mit negativem Zinsdeckungsgrad auf 16,5 Prozent gestiegen – im Zeitraum 2014 bis 2016 waren es noch 12,8 Prozent.

Noch sind für den größten Teil der Unternehmen die Kosten der Fremdfinanzierung zu tragen. Allerdings darf man bereits jetzt gespannt sein, wie sich die Entwicklung des Zinsdeckungsgrades bei deutlich steigenden Kreditkosten entwickelt. Und vor allem ist offen, ob die Unternehmen bei flauer Konjunktur ihre Gewinne noch so hoch halten können, dass ihre Fremdfinanzierung zu gewährleisten ist.



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