Pflegeeinrichtungen und Automobilzulieferer im Feuer
Das Insolvenzgeschehen ist geprägt von einer Vielzahl kleiner und mittlerer Betriebe. Das ist aktuell nicht anders, denn rund 96 Prozent der insolventen Unternehmen beschäftigen höchstens 50 Mitarbeiter.
Im ersten Halbjahr 2025 kam es, wie bereits in den Krisenjahren in dieser Dekade zuvor, zu einem Anstieg bei den Großinsolvenzen. Unternehmen mit mindestens zweistelligen Umsatzzahlen mindestens und mehr als 250 Beschäftigten gerieten in den Fokus. Dies auch deswegen, weil es sich um bekannte Namen handelt, deren drohende oder bereits vorliegende Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung eine breite Resonanz in den Medien findet. Dabei stehen diese Betriebe in ihrer Branche für eine weitere Vielzahl kleinerer Unternehmenseinheiten, die ebenfalls, nur weniger spektakulär, betroffen sind.
Pflegebedürftig
So ist der Dienstleistungsbereich der Pflege seit der Pandemie besonders anfällig, weil die hohen Personalkosten, aber auch Sparmaßnahmen zu einem starken Kostendruck geführt haben. Hinzu kommt allerdings auch, dass sich gerade in diesem Bereich, der allein aufgrund der demographischen Entwicklung krisenfest zu sein schien, eine Vielzahl von Gründungen – so in der ambulanten Pflege in den Großstädten – ergeben hat. Im Hinblick auf die betroffenen Beschäftigten sind die drei größten Unternehmensinsolvenzen in der ersten Hälfte 2025 dem Heil- und Pflegesektor zuzuordnen. Das betrifft die Argentum Pflege Holding aus Hamburg mit 2.800 Mitarbeitern, die DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft in Mainz sowie das Erzgebirgsklinikum in Annaberg Buchholz.
Die Krise des Einzelhandels wird mit der Pleite der Diskontläden KODi GmbH deutlich. Mit günstigen Preisen versorgt der Einzelhändler Kunden in den Innenstädten mit Schreibwaren, Gartenbau-Produkten oder Lebensmitteln und Getränken. Der Betrieb läuft weiter und ca. 2.360 Beschäftigte sind betroffen. Dem Konsumrückgang und höherer Sparneigung der Verbraucher sind zwei weitere Großinsolvenzen geschuldet. Da ist zum einen die Sausalitos GmbH als Holding vieler Restaurants – zum anderen die Achat Hotel- und Immobilienbetriebsgesellschaft aus Mannheim.
Automobile und ihre Zulieferer
In aller Munde ist die Krise der Automobilindustrie und ihrer angeschlossenen Zuliefererbetriebe. Die deutsche Automobilindustrie leidet unter einer nachlassenden Nachfrage. Volkswagen war im letzten Jahr aufgrund von Schließungsplänen einem Arbeitskampf ausgesetzt. Dabei ist nicht nur im Zusammenhang mit der Rezession die schwache Nachfrage in Deutschland aber auch international eine Ursache für den Dämpfer, den Deutschlands Paradeindustrie erlitten hat. Es ist vor allem der Wettbewerbsdruck im Hinblick auf den politisch gewollten Wechsel zur Elektromobilität, der von Deutschlands Autobauern wohl zu spät und auch nicht forciert genug beantwortet wurde. Mit den Gewinneinbrüchen, dem Personalabbau und schließlich den Werksschließungen, aber eben auch mit der hohen Zahl von Insolvenzen, machen sich die Probleme um hohe Investitionen sowie mangelnde Flexibilität und Innovationskraft gerade bei den Zulieferern bemerkbar. Anders als die großen Hersteller ist der Zuliefererbereich auch von einer Vielzahl mittelständischer Unternehmen geprägt. Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat im Zusammenhang mit der Analyse des Insolvenzgeschehens im ersten Halbjahr 2025 auch die Situation der Automobilzulieferer seit 2020 im Hinblick auf die Insolvenzen untersucht. In den letzten fünf Jahren waren rund 43.000 Arbeitnehmer im Bereich der Automobilzulieferer von einer Insolvenz betroffen. Nur etwa 14 Prozent der Insolvenzen betrafen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, die somit also nicht mehr mittelständisch waren. Demgegenüber stehen aber rund 35 Prozent mit höchstens 50 Mitarbeitern. 2020 waren noch im gesamten Jahr 24 Betriebe dieser Branche von einer Insolvenz betroffen. Dank der staatlichen Hilfen waren es dann im Jahr der akuten Corona-Krise (2021) nur 13, die aber gleich 2022 wieder auf 30, 2023 auf 35 und 2024 auf 34 betroffene Unternehmen anstiegen. Für 2025 deutet sich ein neuer Höchststand an, denn in den ersten vier Monaten des Jahres waren 19 Betriebe im Automotive-Bereich zum Insolvenzantrag gezwungen. Die folgende Auswahl bekannter Namen oder zumindest größerer Betriebe macht deutlich, welches Gewicht die Branche nicht nur für den Automobilsektor hat.
- Veritas AG, Gelnhausen
- KSM Castings Group GmbH, Hildesheim
- Bolta Werke GmbH, Leinburg
- Dr. Schneider Kunststoffwerke GmbH, Kronach
- Heinz Schwarz GmbH & Co. KG, Preußisch Oldendorf
- Ritter Leichtmetallguß GmbH, Weinstadt
- Borscheid + Wenig GmbH, Diedorf
- Regensburger Druckgußwerk Wolf GmbH, Regensburg
- Hans Hess Autoteile GmbH, Köln
- Formzeug GmbH & Co. KG, Wegberg
- Johann Borgers GmbH, Bocholt
- Eissmann Automotive Deutschland GmbH, Bad Urach
- RECARO Automotive-GmbH, Kirchheim
- Gerhardi Kunststofftechnik GmbH, Lüdenscheid
- Bohai Trimet International GmbH, Harzgerode
Quelle: Creditreform Datenbank
Kurzer Halt bei den Großinsolvenzen
Interessant ist eine Untersuchung der Falkensteg GmbH aus München, die sich mit den Großinsolvenzen im ersten Quartal 2025 beschäftigten (Großinsolvenzen nach dieser Definition: Umsatz ab 10 Mio. Euro). Sie spricht von einer Verschnaufpause zu Jahresbeginn, weil die Insolvenzanmeldungen dieser Größenordnung um 14 Prozent gegenüber dem Rekordquartal 4/2024 mit 117 Anträgen zurückging. Doch schreiben die Restrukturierer: „Dennoch markiert dieser Wert den zweithöchsten Quartalsstand der vergangenen fünf Jahre. Selbst während der Corona-Pandemie lagen die Insolvenzzahlen um rund 10 Prozent niedriger.“ Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahresquartal 2024 ist die Anzahl der Großinsolvenzanträge um 28 Prozent gestiegen. Laut Falkensteg war die Zahl der Insolvenzen in der Automobilindustrie in den ersten drei Monaten des Jahres sogar von 25 auf 12 Fälle rückläufig, führend dagegen waren Bauunternehmen mit 17 Insolvenzfällen.
Die Krise der Autoindustrie für Deutschland als führendem Exporteur, aber auch die großen Insolvenzen im Gesundheitswesen, dem Handel und der Gastronomie, sind ein beredtes Zeugnis der aktuellen wirtschaftlichen Probleme. Doch sollte auch im Zusammenhang mit diesen großen Fällen mit einer Vielzahl von drohenden Arbeitsplatzverlusten nicht vergessen werden, dass auch die Zahl der Sanierungen mit den neuen Möglichkeiten des Insolvenzrechts steigt und nicht nur Weiterbeschäftigung, sondern auch weiteren Umsatz erlaubt.