Wo bleiben die neuen Wohnungen?
Ende Juni machte der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) noch einmal deutlich, wie ausgeprägt die Misere am deutschen Wohnungsmarkt ist.
Für das laufende Jahr könnte die Zahl fertiggestellter Wohnungen um rund 40 Prozent auf knapp 18.000 Einheiten zurückgehen. In der GdW sind vor allem Unternehmen Mitglied, die Sozialwohnungen errichten oder unterhalten. Dabei handelt es sich um kommunale, bundes- oder landeseigene, kirchliche, genossenschaftliche sowie aber auch privatwirtschaftliche Institutionen. Dabei war die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in den letzten zwei Jahren dank massiver Förderungen der öffentlichen Hand markant gestiegen – im Jahre 2024 waren es 270.000 Wohnungen. Doch das reicht nicht aus. Die Zahl der Sozialwohnungen stagniert bei einem Wert von rund einer Million Einheiten in Deutschland. Der Verband fordert nun eine Notverordnung auf europäischer Ebene, um den Neubau von Sozialwohnungen zu fördern.
Andere Länder sind besser dran
Der Präsident des Verbandes hat dabei eine Regelung vor Augen, wie sie europaweit für erneuerbare Energien erlassen wurde. Doch ob eine solche Gesetzgebung für alle Länder Europas umsetzbar ist und damit auch der Situation in Deutschland förderlich wäre, ist zu bezweifeln. Deutschland ist wie kein anderes Land auf dem Kontinent ein Mieterland. 52,8 Prozent der Wohnungen und Häuser werden zur Miete bewohnt – in anderen Ländern ist dieser Anteil deutlich geringer. Gerade in Osteuropa, aber auch in Italien etwa, ist es weniger als ein Viertel der Bewohner, die zur Miete wohnen. Dabei deutet sich hier an, dass der Anteil von Mietwohnungen am gesamten Wohnungsaufkommen in einer starken Korrelation mit dem wirtschaftlichen Wohlstand zu sehen ist: Auch Österreich, Dänemark, Schweden und Luxemburg haben Mietanteile über dem europäischen Durchschnitt. Aber es ist nicht nur das hohe Gewicht, dass den Mietwohnungen hierzulande zukommt. Im europäischen Vergleich ist das Wohnen hier besonders teuer. Deutschlands Haushalte geben im Durchschnitt 26 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die Wohnkosten aus – im europäischen Durchschnitt sind es 21 Prozent. Besonders kritisch ist die Zahl der Haushalte zu sehen, die durch die hohen Wohnkosten überlastet sind. Große Teile der Bevölkerung geben mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus, nach einem allgemeinen Konsens sollten es nicht mehr als 30 Prozent sein. Weil gerade Stadtbewohner und Alleinerziehende besonders betroffen sind, werden die Wohnkosten zu einem wichtigen Faktor bei der Überschuldung. Tatsächlich weist der Creditreform SchuldnerAtlas die Hotspots der Überschuldung in den städtischen Zentren aus, während ländliche Gebiete grün gefärbt sind. Dabei sind die Grundstückspreise im europäischen Vergleich durchaus moderat, viel problematischer sind Baunebenkosten, wie sie etwa für Planungen und Gutachten anfallen. Der GdW bringt es auf den Punkt, wenn er davon spricht, dass die Kosten steigen, die Bevölkerung wächst und der Wohnungsbau abstürzt.
Bedarf ist so schnell kaum zu decken
Nicht nur im sozialen Wohnungsbau aber sind die Rückgänge ausgeprägt. In Deutschland wurden 2024 rund 252.000 Wohnungen fertiggestellt. Das entspricht einem Rückgang von 14,4 Prozent gegenüber 2023. Die Forderung an die Politik ist klar: Es geht darum, einen Booster anzusetzen, der mehr Wohnraum schafft und dies zu bezahlbaren Preisen. Dabei bleibt festzuhalten, dass bei diesen Wünschen vor Illusionen zu warnen ist. Deutschland mag im europäischen Vergleich hochpreisig sein, wenn der Anteil der Wohnungskosten ins Verhältnis zum Einkommen gesetzt wird oder wenn der Mangel ein Eigentum beklagt wird. Erinnert sei nur an die astronomischen Mieten in anderen europäischen Metropolen wie Paris oder London. Auch in Deutschland gilt: Wer in Innenstädten leben möchte, lebt teuer. Das ist auch nicht auszugleichen.
Die Herausforderungen, denen sich der Wohnungsbau gegenübersieht, sind im Sozialbau wie im allgemeinen Sektor die gleichen. Wenig zu ändern ist wohl bei den gestiegenen Kosten bei der Erstellung von Wohnraum, insofern diese auf die inflationäre Entwicklung etwa bei den Baumaterialien zurückgeht. Leser der Creditreform Mittelstandsanalysen erinnern sich nur zu gut an die in vielen aufeinanderfolgenden Jahren gestiegenen Einkaufspreise, die das mittelständische Baugewerbe zu Protokoll gab. Am aktuellen Rand flacht der Preisanstieg allerdings ab, die Baupreissteigerungen bei Wohngebäuden lagen 2024 knapp unter 3 Prozent, also etwa auf der Höhe der allgemeinen Teuerungsrate. Gestiegen allerdings ist der Preisdruck im Bereich des Ausbaugewerbes und bei der Instandhaltung, hier liegen die Teuerungen bei rund 5 Prozent.
Vorschrift über Vorschrift
Der allgemeine Einkauf von Baumaterialien – und eben auch die Kostensteigerungen durch Lohnerhöhungen – sind das eine. Das andere sind die umfangreichen Vorschriften, die das Bauen verteuern. Es ist berechnet worden, dass rund ein Drittel der Baukosten-Steigerungen in den vergangenen 23 Jahren auf gesetzliche Vorschriften, etwa im Hinblick auf die Qualität des Schallschutzes, die Wärmeerzeugung und die Energieeinsparung entstanden sind. Bürokratische Vorschriften kommen aber nicht nur beim Bauen selbst zum Tragen, sondern bereits im Vorfeld, wenn es um die Genehmigung zum Errichten eines Gebäudes geht. Dies wird deutlich mit einem Blick auf die Dauer von Bauprojekten. Dabei spielt die Genehmigung auch eine Rolle bei der Ausweisung von neuem Bauland. Auch hier gelten oft gut gemeinte Vorschriften etwa im Hinblick auf den Natur- und Landschaftsschutz als eine weitere Hürde, wenn es um den Neubau geht. Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der von der Politik weniger zu beeinflussen ist. Auch der Bau hat es mit einem massiven Fachkräftemangel zu tun. Gerade bei den handwerklichen Tätigkeiten im Ausbaugewerbe gehen qualifizierte Mitarbeiter durch die Verrentung verloren.
Der Bau steckt weiter in der Krise, auch wenn sich die ersten Anzeichen einer Besserung zeigen. Doch der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bleibt hoch, dazu trägt nicht zuletzt eine wachsende Bevölkerung in Deutschland bei.
Quellen: Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Destatis