Creditreform Magazin

Nachhaltig finanzieren

Bei der Kreditvergabe haben nachhaltig aufgestellte Unternehmen bei Banken derzeit gute Karten. Doch welche Kriterien müssen die Firmen erfüllen und welche wirtschaftlichen Vorteile ergeben sich bei sogenannten ESG-linked Loans, also bei an Nachhaltigkeitskriterien geknüpften Krediten?

 

Nachhaltigkeit spielt in der Finanzbranche eine immer wichtigere Rolle. Dies gilt nicht nur für große Investoren wie Fondsgesellschaften, die für die Auswahl des Portfolios die Unternehmensausrichtung genauer unter die Lupe nehmen. Auch Geldinstitute legen bei der Kreditvergabe inzwischen großen Wert auf die ethische und ökologische Geschäftspolitik der Kreditnehmer. Dabei steht nicht so sehr die Mittelverwendung, sondern vielmehr die Ausrichtung der Firmentätigkeit im Vordergrund. Bei der Bewilligung der Kredite sind bei Banken vor allem die sogenannten ESG-Kriterien von Bedeutung. Das Kürzel steht für „Environment Social Governance“ (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Anhand dieser Kriterien beurteilen die Kreditgeber, ob potenzielle Kreditnehmer Aspekte wie ökologische und sozial-gesellschaftliche Aspekte sowie eine nachhaltige Unternehmensführung berücksichtigen.

Klimaschutz und Verantwortung

„Es geht aus Sicht der Kreditgeber insbesondere um einen Beitrag zu Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Arbeitnehmerschutz sowie Gleichberechtigung“, bestätigt Johannes Tieves, Partner bei der Anwaltssozietät Hengeler Mueller in Frankfurt. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in einem Positionspapier des Bundesverbands deutscher Banken wider, der darin Möglichkeiten des Bankensektors hervorhebt, einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu leisten. Der Bankenverband will alle seine Mitgliedsbanken für Nachhaltigkeit und insbesondere den Klimaschutz sensibilisieren.

Laut Tieves können Unternehmen bei den Kreditinstituten vor allem mit einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes punkten. „Damit leisten Firmen einen Beitrag zum Klimaschutz. Zudem sparen sie auf längere Sicht Energiekosten“, erläutert der Experte. Als weiteres wichtiges Kriterium nennt er die Gleichberechtigung in Unternehmen, etwa die Zahlung gleichen Lohns für Männer und Frauen bei gleichen Tätigkeiten. „Hier sind die Firmen ohnehin politisch unter Druck und müssen um Nachwuchs kämpfen“, bemerkt der Jurist.

Ratingagenturen bewerten Nachhaltigkeit

Wie prüfen Banken, wer die Nachhaltigkeitsziele erreicht? Unternehmen können sich von speziellen Agenturen bewerten lassen. Diese erteilen dann ein Nachhaltigkeitsrating, das sogenannte ESG-Rating. „Können die Firmen ein entsprechendes Rating einer renommierten Ratingagentur vorweisen, verlassen sich die Banken darauf“, sagt Tieves und fügt hinzu: „Wenn statt eines Ratings die Erfüllung individueller, genau auf das Unternehmen zugeschnittener ESG-KPIs vereinbart wird, gibt es zumeist eine Art Validierung der Zielerreichung durch neutrale Dritte, etwa eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder technische Experten wie den TÜV.“ Im Bereich ESG werden zum Beispiel der Energieverbrauch je Produkteinheit, Unfälle pro Mitarbeiter oder Anteil der Kunden, die keine Rechnung mehr in Papierform erhalten, als KPIs vereinbart. Ebenfalls üblich und gut messbar sind die Reduktion von Strom- und Wasserverbrauch oder eine zunehmende Zertifizierung von Zulieferern.

So können spezifische Leistungsindikatoren definiert werden, die sich an den Bedürfnissen der Kreditgeber ausrichten, indem insbesondere auf Aspekte abgestellt wird, die einen materiellen Einfluss auf die Entwicklung der Geschäftsergebnisse haben werden.

Die beiden Kriterien, ESG-Rating und ESG-KPIs, berücksichtigt auch die Commerzbank, die für Unternehmen nachhaltige Schuldscheindarlehen und Konsortialkredite arrangiert, strukturiert und platziert. Das Prinzip: Je besser die Nachhaltigkeitskriterien, desto weniger Zinsen müssen die Firmen zahlen.

Doch wie groß ist der wirtschaftliche Vorteil von ESG-Krediten für die Kreditnehmer wirklich? „Der Zinsvorteil ist zumeist eher gering und bewegt sich im Bereich weniger Basispunkte“, konstatiert Johannes Tieves. Andererseits bringt die nachhaltige Ausrichtung eines Unternehmens grundsätzlich – auch wirtschaftliche – Vorteile mit sich. „Erreicht eine Firma bestimmte ESG-Ziele, erleichtert dies häufig den Zugang zu Kunden und Finanzmitteln generell. Außerdem können Firmen damit ihr Marketing verbessern, mehr Mitarbeiter und Investoren überzeugen“, resümiert Tieves.

Chance für Mittelständler

Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) verweist darauf, dass „grüne“ Finanzinstrumente Firmen für umfassende Nachhaltigkeitsstrategien belohnen. „Die gesellschaftliche und soziale Verantwortung von Kreditnehmern gewinnt immer mehr an Bedeutung. Geradezu spiegelbildlich ist auf dem Kreditmarkt ein klarer Trend hin zu einer stärkeren Orientierung an ESG-Kriterien erkennbar“, sagt BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz. Aus Sicht des Mittelstands sei es zu begrüßen, wenn Unternehmen, die nach ethischen und ökologischen Kriterien arbeiten und wirtschaften, von Kreditinstituten mit geringeren Risiken bewertet werden. „Gerade kleine und mittelständische Unternehmen mit ihrer traditionell engen Bindung an den Firmensitz setzen seit jeher auf die Schonung von Ressourcen und nachhaltige Produktionsverfahren“, unterstreicht er.

Wünschenswert sei es, wenn nicht allein die Mittelverwendung, sondern das gesamte Nachhaltigkeitsprofil der Unternehmen betrachtet würde. Auf diese Weise könnten die Finanzierungsmöglichkeiten von Mittelständlern verbessert werden, die zwar nachweislich einen engen Bezug zu Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung oder ethischen Investitionen haben, aber bisher Schwierigkeiten bei der trennscharfen Abgrenzung konkreter Nachhaltigkeitsprojekte hatten. Kredite dieser Art kommen laut dem Mittelstandsverband vor allem für Unternehmen infrage, die das Thema Nachhaltigkeit grundsätzlich in ihrer Geschäftsstrategie verankert haben. „Mittelständler sollten daher auch solche Kreditinstitute in Betracht ziehen, die Unternehmen in ihrer Gesamtheit und damit auch unter ethischen und ökologischen Gesichtspunkten betrachten“, empfiehlt Völz. Kreditinstitute setzen seiner Ansicht nach vornehmlich auf die Bereiche erneuerbare Energien, Energieeffizienz, ökologische Landwirtschaft und soziale Projekte. „Im Gegensatz hierzu dürften Branchen Schwierigkeiten haben, Finanzierungen bei ökologisch orientierten Banken zu bekommen, die man etwa mit Tierversuchen, Umweltbelastungen oder hohem Ressourcenverbrauch in Verbindung bringt“, erklärt der Experte.


Nachhaltig finanzieren

Drei ESG-Finanzierungsinstrumente im Überblick

ESG-linked Loan

  • Auch ESG-Kredit, Positive Incentive Loan oder Sustainability-linked Loan genannt.
  • Die Kreditkonditionen sind an das Erreichen von bestimmten Nachhaltigkeitszielen gekoppelt.
  • Der Verwendungszweck der Mittel ist nicht genau festgelegt.
  • Verbessert sich die Nachhaltigkeitsperformance, sinken die Finanzierungskosten. Werden die Ziele verfehlt, steigen sie.
     

ESG-linked Schuldschein

  • Ähnlich dem ESG-Kredit ist die Marge des Schuldscheins an die Nachhaltigkeitsperformance des Unternehmens geknüpft.
  • Bisher noch nicht sehr verbreitet.
     

Green Bond

  • Anleihen, deren Erlöse ausschließlich für nachhaltige Projekte eingesetzt werden können.
  • Ein gesetzliches Regelwerk für grüne Anleihen gibt es noch nicht.
  • Als Marktstandards haben sich die sogenannten Green Bond Principles etabliert.
  • Sie definieren, dass Emittenten ihre Investoren entsprechend über die Mittelverwendung informieren.
  • Dafür lassen sie in der Regel eine sogenannte Second Party Opinion (SPO) erstellen, ein Gutachten einer spezialisierten Nachhaltigkeitsagentur.

 

Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Gian Hessami