Alternativen suchen
Unternehmen, die auf nachhaltiges Wirtschaften setzen, gewinnen mehr als ein gutes Image. Sie investieren marktgerecht und zukunftsorientiert.
Die Eckpunkte für das Sorgfaltspflichtengesetz von Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller sind durchgesickert. Das Handelsblatt berichtete am 25. Juni über die Einigung zwischen den Ministerien. Sozial- und Umweltschutzstandards, die in den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte schon 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedet wurden, sollen nun in Deutschland umgesetzt werden. Zwangs- und Kinderarbeit, Arbeitsschutzverstöße, die Vereinigungsfreiheit sowie die Schädigung von Gesundheit und Umwelt stehen auf der Agenda. Deutsche Unternehmen sollen intensiv auf ihre globalen Lieferketten schauen, Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern künftig prüfen, „ob sich ihre Aktivitäten nachteilig auf Menschenrechte auswirken und sie angemessene Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe ergreifen“.
Wirtschaftsverbände protestieren gegen das Sorgfaltspflichtengesetz, die Verabschiedung ist noch ungewiss. Dennoch sollten sich Firmen aller Größen schon jetzt vorbereiten. Denn der Druck von internationalen Kunden und Lieferanten sowie der Öffentlichkeit kann auch Unternehmen mit weitaus weniger Beschäftigten treffen. Auch wenn die Nachweispflicht mit jährlichen Berichten, der Einrichtung einer Beschwerdestelle und einer nach der Nähe zu möglichen Verletzungen abgestuften Haftung erst ab 500 Mitarbeitern relevant werden wird, fragen schon jetzt internationale Geschäftspartner nach. „Ich bin froh, dass wir so früh gestartet sind mit dem Nachhaltigkeitsbericht für alle Unternehmensbereiche“, erklärt Ralf Hellmann, Geschäftsführer der Textilfirma Dibella. „Denn große Kunden listen uns genau deshalb.“
Den Betrieb auf links drehen
Vor neun Jahren startete die Geschäftsführung die Diskussion um die Nachhaltigkeit. Heute stellt das Unternehmen seinen Kunden aus Hotellerie und Gesundheitswesen den nachhaltigen Produktionsweg vom Kleinbauern über Spinnereien und Färbereien bis zur Näherei und der Lieferung an den Kunden transparent dar. Werke in Indien und Pakistan wurden geschlossen. „Eine Färberei in China schaffte es dagegen in zehn Monaten, den Betrieb auf links zu drehen, damit sie das notwendige Zertifikat erhielt“, erzählt der Geschäftsführer, der persönlich nach China reiste und erklärte, worum es ging. Die rund 40 Leute in Bocholt ziehen genauso mit wie die langjährigen internationalen Geschäftspartner. Gerade tüfteln die Mitarbeiter an der Idee, Wäsche nach sechs bis zwölf Monaten zurückzunehmen und zu recyceln. Die Visitenkarten sind schon aus Alttextilzellulose. Und Dibella bleibt nicht für sich. Die Netzwerker in Sachen Nachhaltigkeit engagieren sich in ökologischen Textilverbänden, beim Grünen Knopf und in der Gesellschaftsdebatte.
Einführung ins CSR-Risikomanagement
Und auch bei UPJ – einem Verein, der Unternehmen mit Organisationen vernetzt, die Projekte vermitteln. Da kann es um Baumpflanzaktionen vor der eigenen Haustür oder im Urwald gehen, um die Aidshilfe oder auch darum, das eigene Geschäftsmodell zu durchleuchten und mit anderen zu vergleichen. „Im Netzwerk zu arbeiten, ist sinnvoll“, sagt UPJ-Chef Peter Kromminga, „weil die Chefs dort nicht Papiere wälzen, was schon mal eher abschreckt, sondern durch praktische Beispiele voneinander lernen.“
Zur Einführung in das CSR-Risikomanagement hat der Verein ein Webinar aufgelegt. UPJ-Projektmanagerin Caroline Zamor rät dort zu Ernte- und Produktionsbesuchen, warnt aber: „Es kann auch etwas am Hafen passieren.“ Für sie trägt „der Einkauf eine große Verantwortung“. In den Lieferketten spielen neben technischen Fragen auch die Menschenrechte eine Rolle. Deshalb beteiligt sich an dem Webinar auch NAP Helpdesk, ein Projekt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit & Entwicklung, das kostenlos über nachhaltiges Wirtschaften informiert. Über die, die schon aktiv Zukunft ökologisch und sozial gestalten, sagt Peter Kromminga: „Mittelständler sind pragmatisch und machen einfach.“
Manchmal liegt bei einem Unternehmen das Produkt der Haltung sehr nah. Wie Kühlwesten dem Klimaschutz. Pervormance International in Ulm stellt aktiv kühlende Funktionstextilien her. Vereinfacht gesagt, verwandeln smarte Fasern Hitze in Kälte – zum Beispiel für Feuerwehrleute oder Leistungssportler. Apothekerin Gabriele Renner und Sportwissenschaftlerin Sabine Stein bleiben nicht beim Verkauf kleidsamer Klimaanlagen stehen. Gegen die Temperaturerwärmung der Welt setzen die Schwestern im eigenen Betrieb auf Energieeffizienz und Ressourcenschonung. „Wir erfassen jeden einzelnen messbaren Schritt in der Produktion“, sagt Renner. Für das Hightech-Vlies werden auch Abfallfasern verwendet, beim Strom die Emission und der Stromverbrauch selbst reduziert. Und den unvermeidbaren Rest des CO2-Fußabdrucks gleicht das Familienunternehmen durch ein zertifiziertes Waldprojekt in Papua-Neuguinea aus. „Wir verändern bei uns und unseren zehn Mitarbeitern die Denke“, sagt Gabriele Renner. „Wer mehr radelt oder das Licht ausschaltet, beamt sich nicht ins Mittelalter zurück, sondern entwickelt einen Blick für Verbesserungen.“
Die Chefinnen wollen weiter. Obwohl sie seit 2013 das erste klimaneutrale Textilunternehmen der Welt leiten und ihr Einsatz mit dem Klimaschutzpreis 2019/20 belohnt wurde, engagieren sie sich auch in dem internationalen Netzwerk UN Global Compact für Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umwelt und Klima sowie gegen Korruption. Neben großen Konzernen wie SAP, Daimler und BASF setzen fast 300 mittelständische Unternehmen ihre Unterstützungsunterschrift unter die zehn Prinzipien in den vier Arbeitsfeldern des UN Global Compact.
Trainings für besseres Wirtschaften
Das Team des Deutschen Global Compact Netzwerks wirbt auf Veranstaltungen von Wirtschaftsverbänden und IHK für das bessere Wirtschaften, veranstaltet Trainings und fördert den Informationsaustausch. „Gerade im Rahmen unserer kostenfreien Webinare verzeichnen wir ein großes Interesse des Mittelstands“, so Netzwerkmanagerin Leonore Herzberg. Nicht immer geht es dabei um ökologische Ernten und lenkbare Produktionsprozesse. Manchmal sind schon die Grundstoffe umweltunverträglich und es gibt keinen Ersatz.
So wie bei Haas Magnettechnik. Das Unternehmen in Wiesbaden stellt Magnetfolien, -bänder und technische Magnete her. Die 25 Mitarbeiter benötigen Kobalt, das im Ruf steht, im Kongo von Kindern geschürft zu werden. „Das müssen wir offenmachen“, betont Geschäftsführer Christopher Haas. „Und wir müssen Alternativen suchen.“ Mit dem Fraunhofer-Institut erprobt das Unternehmen, das chemische Element Neodym zu recyceln. An den drei CSR-Säulen Soziales, Lieferkette und Umwelt arbeitet Haas seit zehn Jahren und unterwirft sich dem Ecovadis-Audit. Der Geschäfstführer weiß: „Man kann nicht alles quantifizieren, aber Nachhaltigkeit zu leben, bringt dem Unternehmen etwas und geht auf die Mitarbeiter über.“
Für diese praktisch gelebte Überzeugung wurde Haas Magnettechnik im Januar in der Kategorie „Verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement“ für den CSR-Preis der Bundesregierung 2020 nominiert. Dort treffen die Metaller auf die Textiler. Denn auch Dibella steht in dieser Kategorie neben REWE, Porsche und dem Fair-Trade-Händler GEPA. Doch die Corona-Pandemie hat das Finale im Juni gekippt. Nun warten die so unterschiedlichen Wettbewerber auf die Preisverkündigung.
CSR-Risiko-Check: Hier können sich Unternehmen orientieren
Die Risiken einer Firma können produktspezifischer, länderspezifischer oder lieferantenspezifischer Natur sein. Welche Faktoren die Wertschöpfungskette Ihres Unternehmens belasten, beantwortet die Analyse des CSR-Risiko-Checks. Das kostenlose Online-Tool erfasst Rohstoffe, Produkte, Dienstleistungen und Herkunftsland. Es nutzt zum Datenabgleich mit Ihren Geschäftsaktivitäten rund 5.000 unabhängige, geprüfte Quellen, keine älter als fünf Jahre, und basiert auf internationalen Standards. Nach wenigen Minuten erhalten Sie neben der CSR-Risikoanalyse auch Handlungsempfehlungen zu 20 CSR-Themen (www.csr-risiko-check.de).
Weitere nützliche Seiten:
Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) www.tinyurl.com/y77mgm6x
NAP Helpdesk der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung informiert zum Nationalen Aktionsplan
www.wirtschaft-entwicklung.de
Deutsches Netzwerk des UN Global Compact
www.globalcompact.de
Netzwerk von Unternehmen und Vereinen zu CSR und
Corporate Citizenship
www.upj.de
CSR-Preis der Bundesregierung
www.csr-preis-bund.de
Textilunternehmen für Gastronomie und Gesundheitswesen
www.dibella.de
Produzent von Magnetfolien und -bändern
www.haas-magnettechnik.com
Hersteller von kühlender Kleidung
www.e-cooline.de
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Ruth Lemmer
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