Creditreform Magazin

Aufbruch nach Afrika

Auf der Suche nach neuen Produktionsstandorten und Absatzmärkten entdecken deutsche Unternehmen den südlichen Kontinent. Rückendeckung gibt die Politik.

Deutschland und Afrika, das passt wirtschaftlich immer besser zusammen. Ein Beispiel ist die Wilo-Gruppe. 1872 in Dortmund gegründet, produziert der Technologiekonzern heute auf allen Kontinenten Pumpen und Pumpensysteme. In Afrika startete Wilo mit einer Niederlassung in Marokko und vertreibt seine Produkte inzwischen auch über Plattformen in Ost-, West- und Südafrika. Wilo-Chef Oliver Hermes sagt: „Afrika gewinnt an Bedeutung. Deutsche Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben möchten, bauen besser heute als morgen ihre Präsenz vor Ort auf."

Mit dem Ziel, deutsche Wirtschaftsaktivitäten in Afrika sichtbar zu machen und zu intensivieren, veranstaltete die Wilo-Gruppe am 16. Mai die Konferenz „Building Bridges – Africa“. Die Veranstaltung fand am Konzernsitz in Dortmund in Kooperation mit dem gemeinnützigen Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft und unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, statt.

Als Gastgeber begrüßte Hermes rund 100 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er hatte auch eine Botschaft an die Politik: „Die Wirtschaftspolitik Europas sollte in Bezug auf Afrika einen neuen Reifegrad anstreben, der nicht nur Entwicklungshilfe vorsieht, sondern viel mehr die Rahmenbedingungen für massive Investitionen aus Europa in afrikanischen Märkten setzt.“ Genau darum bemüht sich die Bundesregierung verstärkt – zuerst unter Kanzlerin Merkel, jetzt unter Kanzler Scholz.

Vieles spricht für Afrika

Für Mittelständler mit Drang nach Afrika jedenfalls gibt es reichlich Rückendeckung. Ein Anruf bei den dort genannten Einrichtungen oder ein Blick auf deren Websites könnte der erste Schritt nach Afrika sein und sich langfristig lohnen. Aktuell sind deutsche Unternehmen vielleicht so bereit wie noch nie für ein Engagement in Afrika. Zum einen sind Firmen auf der Suche nach neuen Produktionsstandorten und Absatzmärkten, weil Russland weggebrochen und China unsicher ist. Zum anderen lockt der Kontinent mit starkem Wachstum und einer jungen Bevölkerung. Laut dem Statistischen Bundesamt expandierte das reale Bruttoinlandsprodukt in Afrika 2022 um geschätzt 7,7 Prozent. Und das Bundeswirtschaftsministerium hebt hervor: „Bis 2050 werden in Afrika 2,5 Milliarden Menschen leben. Schon heute ist die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung jünger als 20.“ Aktuell leben dort 1,4 Milliarden Menschen.

Die Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik, Germany Trade & Invest (GTAI), veröffentlichte jüngst Zahlen über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Afrika. Demnach stieg der Außenhandel 2022 um 21 Prozent auf fast 60 Milliarden Euro. Davon entfielen 33,4 Milliarden auf Importe (plus 27,4 Prozent) und 26,4 Milliarden Euro (plus 14,5 Prozent) auf Exporte. Allerdings, so GTAI weiter, spielt Afrika als Standort zur Produktion für deutsche Unternehmen bisher nur eine kleine Rolle. Lediglich ein Prozent ihrer Direktinvestitionen habe die deutsche Wirtschaft durch die derzeit 884 Unternehmen auf dem Kontinent investiert. Der mit Abstand größte Zielmarkt ist Südafrika, an Bedeutung gewinnen Marokko und Ägypten.

Gerade Nordafrika könnte von der Nähe zu Deutschland profitieren, heißt es in der Publikation von GTAI. Nicht zuletzt wegen Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg würden viele Unternehmen ihre Liefer- und Produktionsketten stärker diversifizieren. Vor allem das Königreich Marokko biete sich als Standort zur Einbindung moderner Produktionsstrukturen in europäische Wertschöpfungsketten an.

Afrika ist ein Markt mit eigenen Regeln

Aber: Um in Afrika auf Dauer erfolgreich zu sein, müssen deutsche Manager ein paar Dinge beherzigen. Das berichten alle Fachleute, mit denen Creditreform gesprochen hat. „Afrika ist ein Markt mit eigener Dynamik, eigenen Regeln und eigener Kultur. Das muss unbedingt beachtet werden“, sagt Jens Dallendörfer, der für die Wilo-Gruppe vertriebsseitig die Entwicklungs- und Schwellenländermärkte verantwortet. „Afrika ist nicht schwierig, sondern anders.“ Nur wer gewillt ist, sich auf die Besonderheiten einzulassen und die notwendige Geduld mitbringt, kann erfolgreich sein. „Man muss das Vertrauen der Menschen gewinnen. Das geht am besten durch den persönlichen Kontakt und indem man Zeit miteinander verbringt“, sagt Dallendörfer.

Und der Wilo-Manager ergänzt: „Um in Afrika zu bestehen, muss man – bildlich gesprochen – einen Marathon laufen.“ Vertrauen und Geduld seien notwendige Voraussetzungen, um Fuß zu fassen. Ansonsten bedürfe jedes Land eines spezifischen Ansatzes. „Kenia funktioniert nicht wie Südafrika“, sagt Dallendörfer. Eben aus diesem Grund hat Wilo im Süden, Osten und Westen des Kontinents jeweils eine Plattform aufgebaut, um von dort in andere Regionen zu exportieren.

Neben Wilo, einem Konzern mit zuletzt 1,9 Milliarden Euro Jahresumsatz, gibt es auch mittelständische deutsche Unternehmen mit Produktionsstätten in Afrika – zum Beispiel MC-Bauchemie. Auch in diesem Fall erfolgte der Einstieg in die jeweiligen lokalen Märkte Schritt für Schritt: 2012 Guinea, 2016 Ghana und 2019 Äthiopien. Inzwischen sind bei den MC-Gesellschaften in Afrika über 170 Mitarbeiter beschäftigt, berichtet Nicolaus Müller, geschäftsführender Gesellschafter der MC-Bauchemie Gruppe, die 2022 weltweit einen Umsatz von 540 Millionen Euro erzielte.

Er weist darauf hin, dass MC-Bauchemie nicht nur vor Ort mit dort beheimateten Arbeitskräften und mit einheimischen Materialien für den regionalen Markt produziert, sondern auch Kunden und interessierte Baufachleute schult. „Wir verstehen unsere Arbeit auch als Bildungsauftrag“, sagt Müller. Allein in Ghana habe MC-Bauchemie in Kooperation mit örtlichen Organisationen über 1.000 Planer, Ingenieure, Architekten und Studenten zu Themen wie Betontechnologie und Betoninstandsetzung geschult.

Wie Unternehmen den Kontinent kennenlernen

Gerade dieses auf gegenseitiges Verständnis und eine langfristige Zusammenarbeit angelegte Vorgehen ist ein Erfolgsfaktor. Das betont auch Burkhardt Hellemann, Repräsentant der Auslandshandelskammer in Ghana, gegenüber Creditreform: „Deutsche Unternehmen genießen in Afrika einen guten Ruf. Vor allem, weil sie lokale Arbeitskräfte beschäftigen, die Menschen ausbilden, sich an Universitäten engagieren, ihre Steuern zahlen und von Beginn an zeigen, dass sie vor Ort etwas Dauerhaftes aufbauen möchten.“ Das gelte nicht nur für bekannte Namen wie Bosch, Heidelberg Materials und Siemens sondern auch für deutsche Mittelständler.

Und auch Hellemann unterstreicht die Bedeutung persönlicher Beziehungen in Afrika. Er empfiehlt allen an wirtschaftlichen Beziehungen interessierten Unternehmern: „Kommen Sie hierher. Lernen Sie Ihre zukünftigen Geschäftspartner kennen und bekommen Sie ein Gefühl für Land und Leute.“ Ebenso sieht das Maren Diale-Schellschmidt, Delegierte an der Auslandshandelskammer in Kenia. Eine wichtige Aufgabe von ihr sei es, Managern und Unternehmern die Angst zu nehmen. In Deutschland seien die Nachrichten voll mit Berichten über Krieg, Terror, Hunger und Katastrophen. Das trage zu einem allgemein schlechten Image von Afrika bei. Tatsächlich bestehe Afrika aus 54 Staaten und in vielen, gerade auch den Hauptwirtschaftspartnern Deutschlands, gebe es stabile, demokratische Verhältnisse. Fazit: Noch immer ist Afrika für die meisten deutschen Unternehmen ein unentdeckter Kontinent. Das ändert sich jetzt, weil Firmen neue Produktionsstandorte und Absatzmärkte suchen und die Politik sich stärker engagiert. Der gute Ruf deutscher Manager in vielen afrikanischen Ländern sollte zum Aufbruch motivieren. Dann könnten beide Seiten von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit profitieren. Und eines Tages heißt es vielleicht: Deutschland und Afrika, dass passt gut zusammen.

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