Risikomanagement Newsletter

Brexit und kein Ende

Geplant war der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union für Ende März – ein neuer Termin bleibt jetzt offen. Aber es ist nicht nur der Termin für den Austritt der Briten, der allen Beteiligten Sorge macht.

Wichtiger noch ist eine Entscheidung über die zukünftigen Regeln des wirtschaftlichen Austauschs zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland. Zu befürchten ist, dass ein Verlassen der Europäischen Union ohne ein vertragliches Regelwerk zu massiven Problemen führen wird. Dies gilt für die europäischen Partner, besonders aber für das Inselreich. Der harte Brexit steht im Raum, denn es gelingt der Regierung und dem Parlament nicht, sich zu einigen und damit einen geordneten Austritt zu ermöglichen.

Unbestritten ist, dass die britische Wirtschaft im Falle eines harten Brexits noch deutlich gravierender leiden würde als dies bislang bereits der Fall ist. Doch mit welchen Auswirkungen hätten die verbleibenden EU Mitgliedsstaaten in diesem Fall zu rechnen? Dieser Frage ist Creditreform Rating in einer Analyse nachgegangen. Um zu bestimmen, welche Länder ein harter Brexit am empfindlichsten treffen würde, hat die europäische Ratingagentur den Brexit Risiko Indikator (BRI) entwickelt, der die vier Risikodimensionen Direktinvestitionen, Export, Finanzsektor und Migration berücksichtigt.

Kleine Länder trifft es härter

Insgesamt wäre die irische Wirtschaft am stärksten von einem harten Brexit betroffen. Der Blick auf die einzelnen Risikoindikatoren verdeutlicht, dass Irland in den Bereichen Migration und Handel unter allen verbleibenden 27 EU-Mitgliedern am stärksten exponiert ist. Ähnlich stellt sich die Situation bei den Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen dar. Wie die Realwirtschaft hat auch der irische Finanzsektor ein beträchtliches UK-Exposure. Zum Jahresende 2017 verzeichneten irische Finanzinstitute im Hinblick auf Forderungen an britische Banken den zweithöchsten Wert innerhalb der EU-27.

Geografische Nähe allein stellt jedoch kein hinreichendes Kriterium für ein überdurchschnittlich hohes Brexit-Exposure dar. So sehen sich Zypern und Malta dem zweit- bzw. dritthöchsten Brexit-Risiko ausgesetzt. In beiden Volkswirtschaften spielt der Finanzsektor, aber auch der Tourismus eine bedeutende Rolle. Sowohl in Zypern als auch in Malta stellten Briten in 2017 die größte Gruppe ausländischer Besucher, was letztendlich auch in der Exportbilanz zum Ausdruck kommt. Zudem bestehen insbesondere im Falle Zyperns enge finanzielle Verbindungen zum Vereinigten Königreich.

Gemessen am Investitions- und Finanzsektor-Exposure belegt Zypern den dritten Rang innerhalb der EU. Nur die Niederlande und Luxemburg, die an vierter und fünfter Stelle im Risikoranking liegen, halten mehr Investitionsvermögen auf der britischen Insel. Teilweise ist dies eine Folge der Firmenpolitik multinationaler Konzerne. Schließlich gehören Luxemburg und die Niederlande innerhalb der EU zu den bevorzugten Standorten finanzieller Zweckgesellschaften.

Europa auf dem Prüfstand

Somit finden sich vergleichsweise viele kleine Länder an der Spitze des Risikoindex wieder. Mangels eines großen und stabilen Binnenmarktes weisen viele kleine Volkswirtschaften einen hohen Offenheitsgrad in Bezug auf Handels- und Finanzströme auf – in der Folge erhöht sich jedoch die außenwirtschaftliche Verwundbarkeit. Unter den großen Volkswirtschaften der EU sieht sich Frankreich den höchsten Risiken ausgesetzt. Die deutsche Wirtschaft rangiert an zwölfter Stelle.

Relativ moderat ausgeprägt erscheinen die Brexit-Risiken in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas. Zu erklären ist dies mitunter dadurch, dass die meisten CEE-Staaten nur geringe Verflechtungen mit UK in den Bereichen Handel und Finanzen aufweisen. Da es sich bei den meisten osteuropäischen Staaten um Transformationsökonomien handelt, verwundert es ebenfalls nicht, dass der private Sektor dieser Länder noch keine signifikanten Direktinvestitionen in UK hält. Mittelbar wären die osteuropäischen Staaten am ehesten von einer Einschränkung bzw. Aufhebung der Arbeitnehmerfreizügigkeit betroffen. Die Analysten von Creditreform heben hervor, dass ihr Risikoindikator eine grobe Indikation bezüglich der potenziellen ökonomischen Folgen des Brexits gibt, indem er verschiedene Risikodimensionen aufzeigt und länderspezifische Verwundbarkeiten offenlegt. Indirekte Effekte werden hierbei ausgeklammert, da sie mit einem noch höheren Maß an Unsicherheit verbunden sind. Gerade Deutschland mit seinen sehr ausgeprägten wirtschaftlichen Beziehungen wäre hier wohl besonders betroffen. Die Ausgangslage in den Ländern wird ebenfalls nicht berücksichtigt. Länder wie Italien könnten durch einen harten Brexit in eine ernste Schieflage geraten, auch wenn der BRI hier nicht so hoch ausfällt.

Quelle: Creditreform Rating AG



Wir sind für Sie da: Creditreform vor Ort

Wir sind für Sie da:

Creditreform vor Ort

Sie haben Fragen zu unseren Produkten und Lösungen? Wir beraten Sie gerne. Finden Sie hier Ihren persönlichen Ansprechpartner.