Das will was heißen
Alexander hat in der Schule bessere Chancen als Kevin. Namen beeinflussen die Wahrnehmung, das ist wissenschaftlich untersucht. Unternehmen stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Welcher Firmenname steigert die Aussicht auf Erfolg und welcher ist von vornherein ein Flop?
Eigentlich haben die Schweizer nur das getan, was heute alle tun. Sie kreierten einen fantasievollen Namen für ihren Service. Einen, der rhythmisch klingt und auf O endet, so wie Zalando, Trivago und Vapiano.
Sie hätten es nur konsequent zu Ende denken sollen. Unter dem Namen Shariando brachte die schweizerische Verbandspool AG ihr Cashback-Portal vor einigen Jahren an den Start.
Es dauerte nicht lange, bis aufgebrachte Kunden sie mit Hass und Häme übergossen – weil sie eine Verbindung zum islamischen Rechtssystem Scharia witterten. Verbandspool hatte den Namen aus den Bestandteilen „Share and do“ zusammengezimmert – und einen folgenschweren Anfängerfehler begangen.
Also setzte sich dasselbe Mitarbeitertrio, das für den Fauxpas verantwortlich war, abermals zusammen. Heute firmiert das Portal unter dem Namen Rewardo.
Der Fall zeigt, was schiefgehen kann, wenn man allzu unbedarft an das Thema Namenswahl herangeht. Für Kopfschütteln sorgte auch das Unternehmen Siemens, das vor zwei Jahren seine Medizintechniksparte unter dem Namen „Siemens Healthineers“ ausgründete.
Eine Kombination aus den Begriffen „Healthcare“ und „Pioneers“, für deutsche Muttersprachler aber ein Zungenbrecher der schlimmsten Sorte. Ob er das neue Unternehmen auch so genannt hätte? „Wahrscheinlich nicht“, sagt Werbetexter Manfred Gotta, der als Großmeister unter Deutschlands Marken-Machern gilt.
Immerhin: „Der Name unterscheidet sich vom Wettbewerb, das ist schon mal ein Vorteil. Ob ihn jeder versteht, sei dahingestellt.“
Niemals einem Trend folgen
Seit fast 35 Jahren ist Gotta im Geschäft. Von ihm stammen Namen wie Evonik und Targobank, sein Urteil hat Gewicht. Mitunter fällt es vernichtend aus: So kriegt etwa der Bundesligaverein Rasenballsport Leipzig sein Fett weg. „Das hört sich erstens nach DDR und zweitens nach Provinz an. Und das ist genau das, was man nicht will“, sagt Gotta, wenngleich klar sei, dass die Abkürzung RB für Rasenballsport nur ein Platzhalter für die sponsernde Brausemarke sei.
Genauso der US-Lebensmittelhersteller Beyond Meat: „Das ist typisch amerikanisch. Aber man sollte keine beschreibenden Begriffe verwenden.“ Weil sie wenig unterscheidbar seien und sich Wettbewerber leicht dranhängen – und so Marketingausgaben sparen können.
„Man muss sich differenzieren, Aufmerksamkeit erregen und auffallen. Aber man darf nicht überziehen“, sagt der Namensmacher. „Am schlimmsten ist, wenn man einem Trend folgt.“
Ein guter Indikator für Namenstrends ist der Börsenindex MDax. Er zeigt zum Beispiel: Akronyme sind out. Von den 70 Gründungsmitgliedern des MDax aus dem Jahr 1994 trugen 26 ein Kürzel. Da gab es AEG, DLW, KSB und DEPFA. Heute – der MDax wurde in der Zwischenzeit verkleinert – sind es nur noch sieben von 60.
Ohnehin zählen die meisten Konzerne, die mit zwei, drei oder vier Buchstaben zu Weltruhm gelangten – VW, BMW, BASF –, zur alten Garde. Ihre Herkunft wiederum trugen 1994 noch 13 Unternehmen aus dem MDax lesbar im Namen, vor allem deutsche Industriegrößen wie Gerresheimer, Heidelberger Zement, Rheinelektra und Bremer Vulkan.
Heute verweisen nur noch sechs auf ihre Wurzeln. Ein Trend, der der Globalisierung geschuldet ist. Aus der Deutschen Annington wurde 2015 etwa Vonovia, das klingt weltläufiger.
Erfolg mit Kunst- und Fantasienamen
Und auch mit der wohl größten Firmennamentradition wurde längst gebrochen. 1994 führte der MDax noch 26 Firmen, die nach ihrem Gründer benannt waren. Heute sind es elf.
Es gibt kaum ein Startup, das auf den Namen seines Stammvaters setzt. Statt der Zuckerberg Inc. oder der Samwer AG mischen Facebook und Rocket Internet die Netzwirtschaft auf. Elon Musk benannte sein Automobilunternehmen sogar nach einer anderen Person – der Elektrotechnik-Legende Nikola Tesla.
Wären sie erst kürzlich gegründet worden, würden vermutlich auch Siemens, Bayer, Henkel oder Daimler anders heißen. An die Stelle von Kürzeln, Herkunfts- und Gründernamen sind Kunst- und Fantasienamen getreten, nach Möglichkeit englisch, leicht aussprechbar und nicht zu lang.
Aus Haarmann & Reimer Vanillinfabrik wurde der Aromastoff-Konzern Symrise. Und auch das jüngste Dax-Mitglied heißt nicht zufällig Wirecard. Gefragt sind vor allem sogenannte Kofferwörter, die sich aus zwei Begriffen zusammensetzen. Die RWE-Tochter Innogy ist ein linguistisches Mischwesen aus „Innovation“ und „Energy“.
Der Name des Eon-Spinoffs Uniper besteht aus den ersten Silben von „Unique“ und „Performance“. Die Bayer AG mixte sogar das französische „Lancer“ mit dem englischen „Success“ – et voilà, Spezialchemie-Konzern Lanxess war geboren.
Eine Wunderformel gibt es nicht
Einem Mittelständler würde Gotta allerdings von derlei Fantasienamen abraten. „Zu riskant“, sagt er. Denn in Familienunternehmen und Handwerksbetrieben ist die Tradition noch lebendig. So wie bei Busch Vakuumpumpen und Systeme aus Maulburg im Südschwarzwald. „Viele kleine und mittlere Unternehmen tragen noch den Familiennamen der Gründer. Und das ist auch gut so“, sagt Fabian Fahlbusch, der bei Busch im Marketing arbeitet und vorher als Namensforscher an der Universität Mainz tätig war. „Der Name Busch funktioniert auch im Ausland sehr gut“, sagt er.
Der Familienname ist für Gründer – allen Trends zum Trotz – die sichere Bank. Man kann ihn bedenkenlos nutzen und vermeidet Scherereien mit dem Markenrecht. Der Name Busch habe zudem den Vorteil, so Fahlbusch, dass er mit nur einem Vokal nicht zu weich klinge. „Zu Technikunternehmen passen weiche Namen nicht“, sagt Fahlbusch. „Sonst werden sie vom Käufer oder Nutzer nicht ernst genommen.“ Doch perfekt ist auch der Name Busch nicht. Er ist verwechselbar, das wirkt sich negativ auf das Ranking in Suchmaschinen aus. Und er erzeugt durch den Zusatz „Vakuumpumpen und Systeme“ im Ausland Fragezeichen. In den USA tritt man deshalb als „Busch Vacuum Pumps and Systems“ auf. Einheitlicher Markenauftritt, adé!
Eine Wunderformel gibt es also nicht. Das macht die Namenssuche für Gründer so schwierig. Am Ende kommt es auch auf das berühmte Fingerspitzengefühl an. „Wenn Sie das Gefühl haben, der Name passt nicht, dann haben Sie ein Problem“, sagt Manfred Gotta. Seinen eigenen Namen hat sich der 71-Jährige schon vor einer Ewigkeit beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen lassen. Gotta. Der Namens-Gott. Das passt.
Namenswahl: Das müssen Unternehmen beachten
Dauer:
Acht bis zwölf Wochen – so lange dauert es, bis Manfred Gotta Ergebnisse vorzeigen kann. Manchmal muss es aber schnell gehen. Den Namen „Chair“ für den Nachfolger der Airline Germania-Flug erdachte die Züricher Agentur Branders. „Innerhalb eines Monats war die Markenkreation fertig“, sagt CEO René Allemann. „Einen guten Namen findet man relativ schnell. Die Probleme kommen erst danach.“
Rechte:
Namen müssen auch auf Markenrechte abgeklopft werden. Schon ein ähnlich klingender Name kann Probleme verursachen. „Es passiert immer wieder, dass Unternehmen das Rechtliche nicht richtig abklären und dann drei Jahre später in einen Rechtsstreit verwickelt werden“, sagt Allemann.
Kosten:
Manfred Gotta verlangt für seine Dienste schon mal eine sechsstellige Summe. Allerdings könnten sich Kunden auch schon für rund 5.000 Euro einen Namen entwerfen lassen, sagt Branders-CEO René Allemann. Wer gar kein Budget zur Verfügung hat, kann auch auf Namensgeneratoren im Internet zurückgreifen. In Deutschland bietet etwa das Webportal namerobot.de neben monatlichen Flatrate-Angeboten einen Gratis-Tarif für die Namenssuche an.
Domain:
Wer auf chair.com klickt, gelangt auf die Seite eines US-amerikanischen Stuhlherstellers — und eben nicht auf die der Schweizer Airline. Dass die Domain schon vergeben war, sei zweifelsfrei ein Nachteil, gesteht René Allemann. In solchen Fällen müsse man Vor- und Nachteile abwägen. Wer alles richtig machen will, sichert sich rechtzeitig die Domains – in allen relevanten Ländern und Endungen.
Aussprache:
Unternehmen, die ganz hoch hinauswollen, sollten den Klang eines Namens beachten. Am besten, er geht überall auf der Welt locker über die Lippen. Aber Achtung vor Fettnäpfchen: Die Bedeutung eines Begriffs kann in einem anderen Land eine völlig andere sein. Kleine Betriebe, die nur regional aktiv sind, können diesen Punkt dagegen ignorieren.
Text: Sebastian Wolking
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