Folge 5: Der starke Aufstieg – Lernen aus dem Scheitern
Nach der Krise beginnt nicht die Ruhe, sondern die Veränderung. Es läuft wieder. Aber anders als früher: Wer scheitert und wieder aufsteht, führt anders. Das zeigen uns Betroffene, Berater und Experten. In Folge 5 von „Endstation Insolvenz?“ geht es darum, wie aus einer Beinahe-Pleite echte Stärke entstehen kann. Durch Transparenz und neues Denken, das sich immer weiterentwickelt.
Lesen statt hören: Insolvenz Podcast Folge 5
Tanja Könemann: Claudia Bergmanns Familienbetrieb gibt es nicht mehr. Rückblickend sagt sie, es habe Monate gedauert, bis sie das akzeptieren konnte. Wie aus einer Krise neue Stärke entsteht, darum geht es in der vorletzten Folge unserer Serie über die verschiedenen Phasen einer Insolvenz. Wir kehren zurück zur Elektro Rösler GmbH. Das Unternehmen war knapp an einer Insolvenz vorbeigeschrammt. Es hat sich dort viel geändert. Auch unsere Insolvenz- und Restrukturierungsexperten kommen wieder zu Wort, ebenso wie ein neuer Gast.
Jingle: Endstation Insolvenz? Fall und Aufstieg eines Mittelständlers. Eine Podcast-Serie über wirtschaftliche Krisen, radikale Entscheidungen und unerwartete Chancen.
Tanja Könemann: Wir sind zurück in Burghausen in Oberbayern. Bei der Elektro Rösler GmbH brummt wieder das Geschäft, aber anders als früher. Geschäftsführer Wolfgang Straubinger ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Und er hat Konsequenzen gezogen aus der Beinahe-Insolvenz.
Wolfgang Straubinger: Ich fühle mich gereift, ich habe dazugelernt. Und der Unterschied zu vor der Krise, zu nach der Krise ist ganz einfach: Ich arbeite nicht mehr im Unternehmen, sondern am Unternehmen.
Tanja Könemann: Bei ihm spielen heute Kennzahlen eine viel größere Rolle als vor der Krise. Die Elektro Rösler GmbH hat ein System aufgebaut, das Risiken früh sichtbar macht. Ein ganz wichtiger Schritt, bestätigt Führungskräfte-Coach Frank Firneisen.
Frank Firneisen: Es ist zwingend notwendig, ein vernünftiges Kennzahlensystem zu etablieren, um die Finanzströme eines Unternehmens steuern zu können. Weil − wir haben doch ein Unternehmen gegründet, um nicht nur Umsatz zu machen, sondern Gewinne zu erwirtschaften, um die zielgerichtet einzusetzen. Und das ist in vielen Unternehmen vergessen worden, habe ich das Gefühl, dass man nur noch eine Vision hat um der Tätigkeit willen und nicht um des Geldes willen.
Tanja Könemann: Zahlen, Prozesse, Kontrolle. Das klingt nüchtern, ist aber die Basis des neuen Erfolgs. Markus Exler, der Sanierungsberater von Wolfgang Straubinger, spricht von einem Kulturwandel.
Markus Exler: Nach der Sanierung ist vor der Restrukturierung oder vor der Transformation. Und am langen Ende geht es natürlich auch immer wieder darum, wenn so eine Situation überstanden ist, kommen ja die nächsten Aufgaben. Es kommt die neue Makrokrise, es kommt der neue Kriegs- oder Krisenherd auf der Welt, der dann wieder irgendwelche Einschläge im Unternehmen verursacht und das Unternehmen sollte so eine Situation zum Anlass nehmen, um das gesamte Risikomanagement, den Puls am Markt, am Kunden, nach innen, an die Mitarbeiter noch stärker zu schärfen, dass man eben nicht in so ein altes Fahrwasser zurückkommt.
Tanja Könemann: Der Blick von außen bleibt fester Bestandteil der neuen Führungskultur.
Wolfgang Straubinger: Ich werde die Zusammenarbeit mit den Beratungsunternehmen auch weiterführen, weil dieser Blick von außen ganz wichtig ist für Unternehmen und auch für die handelnden Personen, um ganz einfach nicht im Alltag unterzugehen und wichtige Themen aus dem Fokus zu verlieren.
Tanja Könemann: Lernen, anpassen, neu denken. Die Elektro Rösler GmbH hat verstanden, dass Stabilität auf Flexibilität beruht. Auf den Wiederaufbau folgt die Bewährungsprobe. Steht die zurückliegende Krise einem guten Verhältnis zu Banken, Lieferanten und Kunden im Weg? Das fragen wir Patrik-Ludwig Hantzsch. Er ist Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung.
Patrik-Ludwig Hantzsch: Ja, natürlich ist eine Insolvenz nie das beste Aushängeschild, wenn man zu guten Konditionen wieder einen Kredit haben will. Auf der anderen Seite ist es aber auch kein Beinbruch, wenn man damit richtig umgeht. Das heißt, Transparenz darzulegen, wie sind die Konditionen jetzt, was hat sich verändert, wie haben wir uns weiterentwickelt, wie sind wir jetzt finanziell wieder stabil aufgestellt.
Tanja Könemann: Noch immer gilt Scheitern hierzulande als Makel. Doch anderswo wird es als Teil eines Lernprozesses gesehen.
Patrik-Ludwig Hantzsch: Gerade in Deutschland wird eine Insolvenz mit dem unternehmerischen Scheitern absolut gesetzt. Also es ist ein Schamthema, gerade im Mittelstand heißt das, der hat es nicht geschafft, der hat sein Unternehmen nicht in der Spur halten können. Das ist in vielen Bereichen Quatsch. Im angelsächsischen Raum ist das ganz anders, da ist das Scheitern einfach ein Weg auf dem Erfolg und das ist häufig auch ein psychologisches Thema. Deswegen gerade da muss man sich − entweder man schafft es selber oder man holt sich wirklich Hilfe − dass man sagt, es ist nicht daran gekoppelt, dass ich ein schlechter Unternehmer bin. Natürlich gibt es auch das, aber in der Regel sind es eben viele, viele Umstände. Und wer einmal umfällt, es gibt den schönen Spruch: Wer umfällt, soll wieder aufstehen, egal wie gut er gekämpft hat vorher und das ist sozusagen die Essenz. Immer wieder aufstehen und es besser machen, das ist eigentlich die Definition eines Unternehmers.
Tanja Könemann: Für das Aufstehen braucht es wieder etwas, das uns schon in den vergangenen Folgen immer wieder als wichtiger Faktor begegnet ist: Vertrauen. Unternehmensberater Jens Titze beschreibt, wie Unternehmer das schaffen.
Jens Titze: Das Vertrauen aufbauen dauert lange. Das heißt in aller Regel sind es neue Kreditpartner, die man an der Seite hat. Und in aller Regel ist so eine Frage: Wie komme ich aus der Insolvenz raus? Da ist irgendeine Investorenlösung da. Das heißt, irgendwo kam frisches Geld. Sonst kann ich den Insolvenzplan nicht finanzieren. Das sind die neuen Partner. Und zu zeigen, dass die da sind und mitmachen, das baut das Vertrauen der bereits bestehenden Partner auf.
Tanja Könemann: Aber Vertrauen braucht nicht nur Zahlen, sondern Haltung. Auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Wolfgang Straubinger hält dieses Prinzip bis heute.
Wolfgang Straubinger: Also man muss glaubhaft machen, dass man sich Unterstützung geholt hat, dass man die Lage in den Griff kriegt und dass die Arbeitsplätze gesichert sind. Also hierauf hat die Belegschaft ein Recht. Und hier gab es dann auch regelmäßige Reportings, die wir bis zum heutigen Tag beibehalten. Vielleicht nicht in der Regelmäßigkeit und nicht in der Intensität, aber meine Mitarbeiter werden einmal im Quartal über den Stand der Dinge informiert.
Tanja Könemann: Das Vertrauen wächst langsam, mit jeder ehrlichen Information und jeder eingehaltenen Zusage. Vertrauen zurückzugewinnen ist ein erster Schritt. Doch die eigentliche Arbeit beginnt danach − im Denken, in den Strukturen und in der Haltung. Unternehmensberater Jens Titze beobachtet, dass viele nach einer überstandenen Insolvenz in alte Muster zurückfallen.
Jens Titze: Das sind dann im Beraterjargon häufig die Drehtür-Insolvenzen. Weil die Wahrscheinlichkeit, wenn sich da nichts tut und man ändert gar nichts, dann ist es relativ wahrscheinlich, dass die in einem Zeitabstand wieder in eine Insolvenz laufen. Und dann schwinden jedes Mal, da ist Vertrauen weg, da schwinden Sanierungsfähigkeiten. Leider ist das wahrzunehmen. Deswegen ist ein Stück weit frischer Wind − Management, vielleicht ein Interimer, der mir hilft, da noch ein paar Umsetzungsmaßnahmen anzusetzen − das ist in aller Regel eine gute Idee für die Impulse.
Tanja Könemann: Der entscheidende Hebel liegt im Kopf. Ein Neustart verlangt, das eigene Geschäftsmodell konsequent zu hinterfragen. Nicht als Pflicht, sondern als Chance.
Jens Titze: Die Weichenstellung ist eigentlich zu sagen, jetzt habe ich die Chance nach einer Sanierung auf relativ grüner Wiese das Geschäft neu aufzuziehen. Und da darf ich wenig in alte Denkmuster verfallen, sondern muss mir eigentlich bei jedem Schritt überlegen, können wir was anderes machen. Es ist die einmalige Chance sozusagen, jetzt neu aufzutreten. Und das halte ich für das größte Thema. Es sprechen immer alle von Mindset, aber es ist an der Stelle das richtige Wort. Das muss ich drehen.
Tanja Könemann: Veränderung bedeutet auch, sich zu lösen. Von Routinen und manchmal auch von Menschen, die im alten Denken verharren.
Jens Titze: Und da macht es auch manchmal Sinn, dass man sich von Mitarbeitern trennt, die dann so die Ewiggestrigen sind und in so einer Situation auch nichts verstanden haben.
Tanja Könemann: Nach der Krise kommt kein Happy End, sondern viel Arbeit. Aber sie verändert ihren Charakter. Aus dem Druck von damals entsteht Haltung. Patrik-Ludwig Hantzsch von Creditreform beobachtet, wer einmal gefallen ist und wieder aufsteht, führt anders.
Patrik-Ludwig Hantzsch: Da gibt es betriebswirtschaftliche Schritte und es gibt persönliche Schritte. Ich denke mal, das Wichtigste ist wirklich eher Letzteres, weil durch gute Unterstützung kriege ich meine Zahlen wieder in den Griff, kriege ich meine Kunden diversifiziert, kriege ich neue Prozesse ans Laufen, kriege ich neue Absatzmärkte, das alles kriege ich hin, das ist möglich. Wichtig ist, dass ich mit dem richtigen Mindset da dran gehe. Ich kann das Wort zwar nicht hören, aber am Ende ist es das, was es am besten beschreibt. Ich muss das wollen, ich muss das können und muss das Zutrauen haben, gerade nach einem Scheitern, dass ich auch wieder aufstehen kann und kann aus einer Position nicht der Schwäche, sondern der neu gewonnenen Stärke, weil ich das überlebt habe, neu an die Aufgaben rangehen. Und nur wenn ich das habe, werden mir auch alle anderen Sachen gelingen.
Tanja Könemann: Markus Exler sieht darin den Kern unternehmerischer Entwicklung. Lernen als Prinzip.
Markus Exler: Wichtig ist, dass man aus diesem Scheitern entsprechend lernt, aber am langen Ende, ja, ich habe beide Phänomene erlebt. Die einen sind dran zerbrochen. Wenn Unternehmer dann ein bisschen älter sind, dann ist es manchmal auch der Zeitpunkt, wo man sich dann aktiv zurückzieht, wo das so ein maßgeblicher Punkt oder Ereignis ist, wo man sagt: Gut, jetzt übergebe ich an jemand Fremden oder an meine eigenen Kinder. Und wenn man entsprechend hier aus diesen Dingen lernt, daran reift, dann hat man manchmal auch Lust, noch Größeres zu machen. Also auch das habe ich erlebt, dass dann Unternehmer nochmal hier andere Unternehmen dazugekauft haben, die Gruppe vergrößert haben.
Tanja Könemann: Dieses Wachstum beginnt mit Fragen, nicht mit Antworten. Wie bleibe ich beweglich, wenn alles wieder läuft?
Markus Exler: Das wäre permanent, das Geschäftsmodell zu hinterfragen. Permanent zu gucken, ist man noch state of the art. In der Startup -Szene nennt man das pivotieren. Das heißt, sich permanent ausrichten an dem, was der Kunde möchte. Da geht es schon mal los, dass man auch erkennen muss: Wer ist mein Kunde, um dann, dann, wenn man seine Kundendefinition mal gemacht hat, das entsprechende Nutzenversprechen dann zu eruieren. Und dann ist das auch nicht in Stein gemeißelt, sondern das muss permanent und ständig hinterfragt werden.
Tanja Könemann: Wer das verinnerlicht, führt nicht nur sein Unternehmen, sondern auch sich selbst. Aus dem Scheitern wird Kompetenz, aus Verlust wird Gewinn. Das ist der wahre Neuanfang. Hier enden die Geschichten unserer Protagonisten. Claudia Bergmann, Wolfgang Straubinger, die Elektro Rösler GmbH. Sie alle haben ihren Weg gefunden. Manche mussten loslassen, andere konnten neu beginnen. Doch unsere Serie ist noch nicht zu Ende. In der nächsten Folge blicken wir auf das große Ganze. Wir sprechen mit Patrik-Ludwig -Hantzsch über die Insolvenzzahlen von Creditreform und darüber, was sie über die wirtschaftliche Lage verraten. Außerdem lassen wir die wichtigsten Erkenntnisse aus „Endstation Insolvenz?“ noch einmal Revue passieren. Was lässt sich daraus lernen? In diesem Sinne hören Sie am besten direkt weiter.
Jingle: Endstation Insolvenz? Fall und Aufstieg eines Mittelständlers. Moderiert von Tanja Könemann. Redaktion Simone Nissen. Gefällt Ihnen, was Sie hören? Dann bewerten Sie uns gerne auf Spotify oder Apple Podcast und abonnieren Sie diesen Kanal.
Wir sind für Sie da: Creditreform vor Ort
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