Kooperation mit Startups: Tech-Trends auf der Spur
Creditreform verdankt seine starke Marktposition unter anderem der frühzeitigen Nutzung technischer Innovationen. Das Engagement bei einem Startup-Helfer trägt dazu bei, auch künftig vorne mit dabei zu sein.
Bei der Aktualisierung von Datenschutzunterlagen ist Nikolaus von der Decken, geschäftsführender Gesellschafter der Creditreform Hamburg von der Decken & Wall KG, vor kurzem auf ein kurioses Schriftstück gestoßen: eine Online-Nutzervereinbarung aus dem Jahr 1986. Kurios ist das Papier deshalb, weil es Mitte der 1980er-Jahre noch kein Internet gab. Wer Daten digital übertragen wollte, benötigte ein klobiges, damals etwa 2.000 Mark teures Gerät mit Namen Akustikkoppler. Es nutzte den Telefonhörer eines „Fernsprechtischapparats“ zum Senden und Empfangen der modulierten Tonsignale. Eine kleine technische Sensation, die Creditreform zu nutzen wusste. Denn mit dieser Technik war es möglich, Auskünfte zeitnah zu übermitteln. Schluss mit Karteikästen, Heimschreibern und langen Postlaufzeiten.
Ab 1986 schickte Creditreform die gewünschten Angaben „online“ auf die Reise – und schaffte für lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal. „Manchmal ist es gut, sich zu erinnern, dass die heutige starke Marktposition von Creditreform eng mit der Nutzung von Innovationen verbunden ist. Das schärft den Blick für technische Trends“, sagt von der Decken. Wachsam sein für das, was draußen passiert, und Entwicklungen auf den Nutzen für die eigene Organisation abklopfen – das ist auch der Grund, weshalb sich der Creditreform-Geschäftsführer aus Hamburg und einige seiner Kollegen, etwa aus Freiburg und Hannover, an dem Next Commerce Accelerator (NCA) beteiligt haben. Das 2017 von der Hamburger Sparkasse (Haspa) initiierte Programm für Gründer mit handelsnahen Geschäftsmodellen rund um Software, E-Commerce, Advertising und Technology unterstützt Startups.
Viele Investoren beteiligt
Zu den beteiligten Investoren gehören börsennotierte Aktiengesellschaften, Mittelständler und Dienstleister aus allen Wertschöpfungsstufen. Beiersdorf und Tchibo sind darunter, die Otto Krahn Gruppe, die Großbäckerei Junge – und eben Creditreform. „Insgesamt engagieren sich beim NCA derzeit 25 sehr aktive Unternehmen, die Gründer voranbringen wollen. Genau diese Vielfalt ist die Stärke vom NCA. Wir bieten Startups Zugang zu einem großen Netzwerk. So können sie ihre Produkte und Services frühzeitig mit etablierten Unternehmen auf ihre Marktreife hin erproben“, erläutert Thorsten Wittmütz, Managing Partner beim NCA. Er und sein Partner in der Geschäftsführung, Christoph Schepan, haben selbst Unternehmen gegründet, marktreif gemacht und dann verkauft. „Aus dieser Erfahrung wissen wir, welche Herausforderungen sich jungen Unternehmern stellen. Im Gegenzug für ihre Anschubhilfe erhalten die beteiligten Investoren wertvolle Einblicke in neue Geschäftsmodelle, Technologien und Innovationen.“
Von der Decken attestiert vielen Gründern, gute Ideen zu haben und technologisch häufig schon sehr weit zu sein. „Was sie benötigen, ist Kontakt zur Praxis. Wir bei Creditreform können beispielsweise ein guter Sparringspartner sein für alle Themen rund um Daten – etwa, wenn es um Datenschutz, Datenhaltung oder Datenaufbereitung geht.“ Da ist zum Beispiel Gigapipe, ein in England und Spanien beheimatetes Startup, das vom NCA unterstützt wird. Dahinter stehen ein junger Softwareentwickler und ein Sales- und Marketingspezialist, die mit ihrer Firma nach Lösungen suchen, große Datenmengen beherrschbar zu machen. Ein wichtiges Zukunftsthema, auch für Creditreform, dessen größter Schatz die Sammlung, Analyse und Aufbereitung von Daten ist. Warum also nicht sich austauschen und prüfen, inwieweit man sich gegenseitig helfen kann?
„Gründer benötigen Kontakt zur Praxis. Wir können Sparringspartner sein.“
Nikolaus von der Decken, Creditreform Hamburg
KI für Kundenrezensionen
Oder Mara, ein anderes Startup aus dem derzeit mehr als 40 junge Unternehmen umfassenden Portfolio des NCA: Drei Datenwissenschaftler haben einen sich stetig verbessernden Algorithmus entwickelt, der Online-Kundenrezensionen auswertet. Das ist keine leichte Sache, wie etwa die Verwendung des Adjektivs „lang“ in Zusammenhang mit der Bewertung von Akkus zeigt: So gilt eine lange Laufzeit als positives Merkmal, während eine lange Ladezeit ein negatives Kennzeichen ist. Ob diese Technologie auch für Creditreform interessant sein könnte? „Für uns in Hamburg eher nicht. Dafür ist die entsprechende Datengesamtheit zu klein. Aber für die Creditreform Gruppe insgesamt könnte das Sinn machen“, sagt von der Decken.
Der NCA ist in vergleichsweise kurzer Zeit zu einer festen Größe in der europäischen Startup-Szene geworden und möchte seine Position in den kommenden Jahren mit einer größeren Finanzausstattung weiter ausbauen. Nach einem ersten Fonds mit einem Volumen von zwei Millionen Euro hat der Accelerator nun mit einem zweiten Fonds rund elf Millionen Euro eingesammelt und ist aktuell europaweit an mehr als 40 Startups beteiligt. Eine dritte Auflage werde „nicht vor 2022“ an den Start gehen, betont Wittmütz. Alle sechs Monate identifizieren er und sein Team fünf bis sieben junge Unternehmen, bei denen der NCA dann einsteigt. „Wir engagieren uns in einer sehr frühen Phase. Meist sind wir der erste Investor. Mitunter ist aber auch schon ein Business Angel mit an Bord“, so der Geschäftsführer. Bisher hat der NCA ein gutes Gespür für zukunftsfähige Geschäftsmodelle und findige Gründer bewiesen. Nur sehr wenige der Beteiligungen sind nicht mehr am Markt aktiv.
Wittmütz animiert alle Unternehmen, sich frühzeitig um Zukunftsthemen zu kümmern. Wer erst dann beginne, nach neuen Lösungen Ausschau zu halten, wenn die eigene Marktposition bröckele, komme häufig zu spät. So gesehen, hat Creditreform damals mit dem Akustikkoppler alles richtig gemacht. Die Alleinstellung mit der Onlineauskunft hielt zehn Jahre. Jetzt könnte das Engagement beim NCA einen Beitrag leisten, auch künftig bei Innovationen vorne mit dabei zu sein.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber
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