Mehr Druckaus Leipzig
Petra Wallasch, Gründerin von Rapidobject, will dazu beitragen, dass vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen ihre Fertigungsmethoden überdenken: mehr 3D-Druck, wo sonst nur gestanzt, gefräst und geschnitten wird. Im Ausland wird das längst gemacht.
Leipzig, Weißenfelser Straße 84. In dem wuchtigen Gebäude mit der denkmalgeschützten Fassade und den großen Fenstern hatte in den 1960er Jahren einer der wichtigsten Landmaschinenhersteller der DDR sein Zuhause. Der VEB Bodenbearbeitungsgeräte Leipzig rühmte sich, mit seinen Produkten die Arbeit effizienter zu machen. Da trifft es sich gut, dass dort heute ein Unternehmen beheimatet ist, das den gleichen Anspruch erhebt – nur auf einem ganz anderen Feld: Rapidobject. Die Firma gilt als Pionier im 3D-Druck, einer bereits vor etwa 30 Jahren maßgeblich in Deutschland erfundenen Technologie. Aber erst jetzt nimmt die anfangs belächelte Fertigungsmethode Fahrt auf – zumindest international. Fachleute sind sogar überzeugt, dass sie das Potenzial besitzt, weltweit Produktionen zu revolutionieren.
Petra Wallasch, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von Rapidobject, hat auf dem Gelände in der Weißenfelser Straße im vergangenen Jahr viel Geld investiert, um dort die sogenannte „Gläserne 3D Fabrik“ für industriellen 3D-Druck entstehen zu lassen. Inklusive Produktions- und Entwicklungsflächen plus Vorführ- und Schulungsraum für alle, die sich über die Technologie informieren wollen. Zur Eröffnung im vergangenen Juli gab es einen großen Bahnhof. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer schaute vorbei, um sich zu informieren und Lob zu verteilen für eine besonders engagierte Unternehmerin in seinem Bundesland.

3D-Druck wächst rasant
„Es gibt vor allem im Mittelstand enorme Wissenslücken über die Anwendungsmöglichkeiten von 3D-Druck. Viele Unternehmen ahnen nicht, wie sehr diese Technologie helfen kann, Ideen schneller zu entwickeln und individuelle Produkte herzustellen“, sagt Wallasch. Einen kleinen Eindruck dessen, was möglich ist, bekommen Firmenbesucher schon in der Empfangshalle. Dort baumelt ein spiralförmiges Gestell mit Handtaschen aus dem 3D-Drucker an der Decke. Eine Spielerei, die Aufmerksamkeit schafft. Dabei hat die Branche die Zeiten längst hinter sich gelassen, in denen zu Demonstrationszwecken Pizzen gedruckt wurden. Oder Mini-Figuren, wie sie Kanzlerin Angela Merkel 2017 beim Besuch des Siemens-Standes auf der Hannover Messe erhielt. Die Branche wird in diesem Jahr nach Expertenschätzungen rund 30 Milliarden Dollar weltweit umsetzen. In fünf Jahren sollen es knapp dreimal so viel sein.
Rapidobject entwirft und fertigt für rund 20.000 Kunden aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Automobilindustrie, der Medizin und anderen Branchen Prototypen oder auch Kleinserien aus Kunststoff und Metall. Während die meisten Unternehmen der Branche in erster Linie Objekte auf Bestellung herstellen, haben die Leipziger bereits vor mehreren Jahren eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung aufgebaut.
Chancen vermitteln
Es läuft gut für Petra Wallasch und ihre rund 40 Mitarbeitenden. Die Unternehmerin könnte es nach einem bewegten Berufsleben mit nun 65 Lebensjahren ein wenig ruhiger angehen lassen. Aber das kommt für sie nicht infrage, denn sie hat eine Mission. Wallasch möchte neben dem eigenen wirtschaftlichen Erfolg vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen wachrütteln für die Chancen, die der 3D-Druck bietet. Dabei ist aus ihrer Sicht größte Eile geboten. „Wir in Deutschland laufen Gefahr, eine wichtige Entwicklung zu verschlafen“, fürchtet sie.
Nach einer Studie des Beratungsunternehmens EY haben deutsche Unternehmen ihre einstige Vorreiterrolle im 3D-Druck längst eingebüßt. Asiatische Firmen, allen voran aus China, geben inzwischen den Ton an. Knapp die Hälfte der weltweit etwa 12.000 im 3D-Druck tätigen Unternehmen haben ihren Sitz in der Volksrepublik. Sie verfügen nach Recherchen des in Berlin ansässigen Verbandes 3DDruck zudem über etwa 60 Prozent der weltweiten Patente. „Ein wichtiger Motor für das Wachstum des 3D-Marktes in China ist die Regierung. Sie fördert vielversprechende Unternehmen, hilft bei der Rekrutierung von Experten und hat angekündigt, alle 400.000 Grundschulen im Land mit 3D-Druckern auszustatten“, sagt Raban von Arnim, Vorstandsmitglied des Verbandes.
Wissenslücken schließen
Warum sehen deutsche Unternehmen noch zu selten die Vorteile der additiven Fertigung, wie 3D-Druck in Industrie und Forschung genannt wird? Petra Wallasch verweist auf Wissenslücken und beobachtet auch Berührungsängste. Wer in Deutschland, dem Mutterland des Maschinenbaus, das Stanzen, Fräsen, Schneiden und Drehen perfektioniert habe, beschäftige sich ungern mit einer neuen Fertigungsmethode, meint sie. Diesen Eindruck bestätigt eine Studie zur Nutzung von 3D-Druck des Beratungsunternehmens EY. In Deutschland, so schreiben die Autoren nach einer Befragung von weltweit 900 Unternehmen, herrsche eine „generelle Skepsis und Zurückhaltung, was neue Technologien angeht“.
Dabei passt 3D-Druck zu den großen Trends in der Industrie: Das Drucken spart Material und macht hohlförmige Formen möglich, die auf andere Weise schwer oder gar nicht herzustellen sind. Beides zahlt positiv auf die Klimabilanz ein. Zum einen werden weniger Rohstoffe benötigt, zum anderen sinkt der Energieverbrauch von Fahrzeugen, in denen so konstruierte Leichtbauteile eingesetzt werden. Hinzu kommt: 3D-Druck ist digital, was schnelle Änderungen möglich macht. Und er ist dezentral einsetzbar. So machen sich Nutzer unabhängiger von ihrer Lieferkette und reduzieren ihre Lagerkosten. „All das spart Betriebskapital, lässt Unternehmen schneller sein, begünstigt Innovationen und erhöht damit die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens“, sagt die Geschäftsführerin von Rapidobject. Als Beispiel verweist sie auf ein aus Kunststoff gefertigts Teil eines Industriestaubsaugers. Dessen Prototyp bestehe aus mehreren verschiedenen Zulieferteilen und verschlinge mehrere Zehntausend Euro Produktionskosten. Eine datenbasierte, 3D-gedruckte und sofort einsatzbereite Version des Saugerteils koste deutlich weniger als ein Prozent dieser Summe.
Karriere auf Umwegen
Wallasch, im Osten Deutschlands geboren und aufgewachsen, ist auf verschlungenen Wegen Unternehmerin geworden. Zu DDR-Zeiten absolvierte sie in den 70er Jahren zunächst eine Lehre im Einzelhandel und studierte später Betriebswirtschaftslehre in Merseburg. Für die Mitarbeit beim Bau einer Erdgastrasse ging sie anschließend für fünf Jahre in die Ukraine. Eine junge Frau in einem von Männern dominierten Job. Das hat sie nach eigenem Bekunden stark geprägt. Zurück in der DDR, kam die politische Wende und damit die Sorge, wie es beruflich für sie weitergehen würde. Wallasch, inzwischen Mutter einer Tochter, heuerte in einem Unternehmen an, das sich mit Reprografie beschäftigte. Also: scannen, plotten, drucken – und das vornehmlich Bau- und Montagepläne. Die Seiteneinsteigerin machte Karriere, wurde Niederlassungsleiterin, Geschäftsführerin und später Teilhaberin. Ein Zeitschriftenartikel über 3D-Druck machte sie 2006 neugierig. Diese Technologie, so dachte sie, könne ein attraktives neues Geschäftsfeld für ihre Firma werden. Doch ihre Geschäftspartner waren skeptisch und bremsten. Wallasch konnte nur einen Teil ihrer Ideen verwirklichen, zum Beispiel die Eröffnung des weltweit ersten Onlineshops für 3D-Druck-Bestellungen. 2010, als ihr Arbeitgeber die kleine 3D-Druck-Abteilung abwickeln wollte, wagte sie einen Management-Buy-out. Ausgestattet mit einem 3D-Drucker, einem Mitarbeiter und einigen noch nicht abgearbeiteten Aufträgen. Aber auf ihrer Habenseite standen eine große Portion Enthusiasmus, Fleiß und Durchhaltewillen. Trotzdem: Die ersten Jahre waren schwierig. Erst allmählich ging es stetig bergauf.
Begeisterung für den 3D-Druck wecken
Heute stehen knapp 60 unterschiedliche 3D-Drucker in den Produktionsräumen von Rapidobject an der Weißenfelser Straße. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Bald will das Unternehmen die Hürde von zehn Millionen Euro Umsatz nehmen. Eine Entwicklung, die Wallasch stolz macht. Mindestens ebenso wichtig wie die eigenen Zahlen ist ihr jedoch die Zukunft ihrer Branche. Deshalb sieht sie ihre Rolle künftig auch sehr stark in der Beratung, vor allem von Mittelständlern. Eine eigene 3D-Druck-Abteilung aufzubauen, das sei weniger aufwendig, als viele Betriebe meinten, beteuert sie. Häufig kursierten überzogene Vorstellungen von den damit verbundenen Investitionen und Kosten.
Um niederschwellig zu zeigen, wie es gehen kann, bietet sie bei Rapidobject bereits seit 2023 Online-Webinare an. Hier können Führungskräfte, Ingenieure oder Produktentwickler erfahren, für welche Anwendungsfälle sich 3D-Druck eignet oder welcher Drucker zu welcher Anwendung passt. Um Begeisterung für die Technologie auch in der jungen Generation zu wecken, öffnet Rapidobject seine gläserne 3D Fabrik auch für Schulklassen. In Workshops sollen Jugendliche spielerisch erfahren, wie CAD-Anwendungen funktionieren und wie sich ein 3D-Druckteil anfertigen lässt. Gute Voraussetzungen also dafür, dass das Haus in der Weißenfelser Straße 84 seine Tradition als Heimat für effizientes Arbeiten fortsetzen wird.
Schicht für Schicht
Anders als beim Fräsen, Drehen oder Schleifen werden Produkte beim 3D-Druck nicht aus einem größeren Werkstück herausgearbeitet. Sie werden auch nicht in eine vorher gefertigte Form gepresst oder gegossen, sondern Schicht für Schicht aufgebaut, indem man Pulver oder Paste aufeinanderlegt. Das ermöglicht Formen, die insbesondere für Sonderanfertigungen, Prototypen und Kleinserien interessant sind. Gedruckt wird längst nicht mehr nur mit Wachs oder Kunstharz, sondern beispielsweise auch mit Keramik und Metall. Dabei wird etwa Metallpulver mithilfe von Laserlicht umgeschmolzen, um die gewünschte Härte zu erreichen.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber
Bildnachweis: H. Berg
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