Nachfolger gesucht
Unternehmer aus der Generation der Babyboomer ziehen sich aus Altersgründen allmählich zurück. Wer soll ihnen folgen? Eine Studie zeigt, wie die Demografie zum Problem für Nachfolgeregelungen wird.
Tilo Happich führte in der Nähe von Hannover erfolgreich ein eigenes Unternehmen, als er sich vor ein paar Jahren entschloss, noch einmal etwas Neues zu wagen. Er wollte zurück in seine brandenburgische Heimat – und auch dort unternehmerisch tätig werden. „Neu gründen wollte ich nicht. Da muss man am Anfang alles selbst machen. Ich war inzwischen dreifacher Vater und wollte lieber in ein kleines, gut funktionierendes Unternehmen einsteigen, das bereits einen Stamm von Mitarbeitern hat“, sagt der gebürtige Potsdamer. Vor knapp drei Jahren hat er die Askania Mikroskop Technik Rathenow GmbH, einen Spezialisten für optische Feinmechanik, übernommen. Der Kontakt kam zustande über die Internetplattform nexxt-change. „Dort habe ich ein Profil von mir veröffentlicht und rasch eine ganze Reihe von Anfragen von abgabewilligen Unternehmensinhabern erhalten. Mit acht Firmen habe ich ernsthafte Gespräche geführt, wobei Askania schnell mein Favorit war.“
Das Angebot ist groß
So wie Happich geht es vielen potenziellen (Jung-)Unternehmern, die lieber eine etablierte Firma kaufen wollen als eine Neugründung in Angriff zu nehmen: Sie können aus einem übergroßen Angebot wählen. Denn der Markt für zur Übergabe anstehende Unternehmen befindet sich in einer Schieflage. Es gibt deutlich mehr Seniorunternehmer, die einen Nachfolger suchen als ernsthafte Interessenten. Die Plattform nexxt-change beispielsweise verzeichnet aktuell lediglich 1.883 Kaufgesuche. Dem stehen 6.386 zum Verkauf angebotene Unternehmen gegenüber.
Dieses Ungleichgewicht wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken. Denn im Mittelstand tritt die Generation der Babyboomer aus Altersgründen allmählich ab. „Der Bedarf an Lösungen für Unternehmensnachfolgen wird weiter deutlich steigen, denn mehr als ein Viertel der aktuell tätigen Unternehmer ist bereits 60 Jahre und älter“, erläutert Holger Wassermann, Professor an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management.
Im Nachfolgemonitor 2019, einer vom Verband Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB), von Creditreform Rating und der FOM gemeinsam erstellten Untersuchung zum Nachfolgegeschehen in Deutschland, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass aktuell für 322.000 Unternehmen „dringender Bedarf“ für eine Übergabe besteht. Bis 2023 stünden sogar etwa 500.000 Unternehmen vor einem altersbedingten Eigentümerwechsel. „Aufgrund des hohen Stellenwerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen hängt ein großer Teil der Arbeitsplätze in Deutschland vom Erfolg der Übergabe eines Betriebs an die nächste Generation ab“, betont Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG.
„Ein großer Teil der Arbeitsplätze in Deutschland hängt vom Erfolg einer Betriebsübergabe ab.“
Michael Munsch, Creditreform Rating AG
Es mangelt an Kandidaten
Die Chancen für einen gelingenden Stabwechsel schwinden. Das ist zum einen eine Folge der Demografie: Die auf die Babyboomer folgende Generation ist deutlich kleiner als ihr Vorgänger. Somit gibt es vergleichsweise wenig potenzielle Kandidaten für eine Nachfolge. Hinzu kommt, dass die Altersgruppe der 30- bis 40-jährigen (also diejenigen, die der Statistik zufolge besonders häufig als Nachfolger infrage kommen) laut Nachfolgemonitor immer seltener unternehmerische Verantwortung übernehmen will. Verstärkt wird dieser Trend durch die derzeit gute Situation auf dem Arbeitsmarkt. Qualifizierte Kräfte sind gesucht – weshalb viele junge Menschen lieber einen vermeintlich sicheren, gut dotierten Job in einem Unternehmen antreten als das Abenteuer Selbstständigkeit zu wagen.
Laut Nachfolgemonitor geht es für ein Unternehmen unter neuer Regie keineswegs zwangsläufig aufwärts. In einem Drittel der von VDB, Creditreform Rating und FOM untersuchten mehr als 6.400 Übernahmen in den Jahren 2013 bis 2018 schaffte es die junge Generation binnen zwei Jahren nicht, den Umsatz zu steigern. Noch düsterer ist die Bilanz beim Blick auf die Ertragsentwicklung. Bei mehr als jedem zweiten Betrieb war das operative Ergebnis zwei Jahre nach der Übernahme niedriger als zuvor. Ein Grund dafür ist, dass neue Eigentümer häufig zunächst einen Investitionsstau abzuarbeiten haben. Denn in Erwartung des bevorstehenden Wechsels schrauben viele Seniorchefs die Ausgaben bereits Jahre zuvor zurück. Laut Nachfolgemonitor war das Anlagevermögen bei 46 Prozent der Unternehmen im Jahr der Übernahme niedriger als drei Jahre zuvor.
Ein aussagekräftiger Indikator für die Entwicklung der Unternehmen vor und nach einem Eigentümerwechsel ist auch die Veränderung ihres Bonitätsindex. Knapp 60 Prozent der von den Autoren des Nachfolgemonitors untersuchten Betriebe schafften es, ihre Bonität binnen zwei Jahren zu verbessern. „Eine Übergabe ist also nicht gleichbedeutend mit einer Verschlechterung der Bonität zu verstehen“, heißt es in der Untersuchung.
Nachfolgerinnen sind rar
Eine Möglichkeit gibt es, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im Nachfolgegeschehen zumindest ein wenig auszupendeln: wenn es gelingt, mehr Frauen für das Unternehmerdasein zu begeistern. „Der Anteil der Nachfolgerinnen liegt mit 23 Prozent deutlich unter dem bundesweiten Anteil weiblicher Führungskräfte“, stellt Stephan Jansen, Geschäftsführer des VDB fest. Im Verarbeitenden Gewerbe (9,8 Prozent), im Baugewerbe (5,7 Prozent) sowie im Finanz- und Versicherungsgewerbe (2,4 Prozent) ist die Quote noch einmal deutlich niedriger.
Quelle: Magazin „Creditreform“
Text: Stefan Weber
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