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Neue Studie: Lieber Beamter als Start-up CEO?

Die Zahl der Unternehmensgründungen in Deutschland sinkt dramatisch. Creditreform Wirtschaftsforschung und ZEW in Mannheim legen aktuelle Zahlen vor.

Unternehmensgründungen gelten seit jeher als Gradmesser für Innovationskraft und wirtschaftliche Dynamik einer Volkswirtschaft. Sie sind zudem Motoren für Strukturwandel und Beschäftigung. Ohne sie fehlt der frische Wind, der etablierte Märkte belebt und neue Geschäftsfelder erschließt. In Deutschland aber trübt sich das Bild seit Jahren ein. Die Diskussion um Wettbewerbsfähigkeit, Innovationsfähigkeit und Standortattraktivität ist in Politik und Wirtschaft so präsent wie selten zuvor und sie bekommt durch die neuesten Daten von der Creditreform Wirtschaftsforschung und dem ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim zusätzliche Brisanz.

Die Zahl der Unternehmensgründungen in Deutschland sinkt dramatisch. Nach Berechnungen von Creditreform und dem ZEW wurden 2024 nur noch rund 161.000 neue Firmen gegründet – so wenige wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Zum Vergleich: Zwischen 2015 und 2021 lag der Durchschnitt bei rund 168.000 Gründungen jährlich, in den frühen 2000er-Jahren sogar bei über 200.000. Für die Analyse wurden Gründungen untersucht, die aufgrund ihrer Rechtsform oder Beschäftigtengröße in einem ausreichenden Maße als wirtschaftsaktiv gelten und rechtlich als selbstständige Unternehmen zählen.

Weshalb wagen immer weniger Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit? Der Einbruch der Gründungszahlen begann mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Seitdem hat sich die deutsche Wirtschaft negativ entwickelt. Neben den durch den Krieg verursachten gestiegenen Energiekosten und der gestiegenen weltpolitischen Unsicherheit, versetzen allerdings auch zunehmend strukturelle Probleme Deutschlands – die schon seit längerem bestehen – dem Gründungsgeschehen einen Dämpfer. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung identifiziert eine vielfältige Problemlage: der hohe Konkurrenzdruck durch chinesische Unternehmen, die vielerorts marode Infrastruktur des Verkehrssystems, die mangelnde Digitalisierung von Behörden und dem Finanzsystem, hohe bürokratische Erfordernisse sowie der Fachkräftemangel. Zudem senkte die hohe Inflation die Kauflaune von Konsumenten, was zusammen mit den teilweise stark gestiegenen Löhnen den Kostendruck auf die Unternehmen erhöhte. Auch die hohen Energiekosten wirken sich bremsend aus. Das alles sorgt nicht nur bei bestehenden Unternehmen für Stress und behindert junge Unternehmen beim Wachsen, sondern mindert auch die Anreize für Gründungsinteressierte, eine Unternehmung zu starten.

Industrielle Basis schrumpft

Besonders betroffen ist das Verarbeitende Gewerbe. 2024 wurden dort nur noch rund 5.000 Unternehmen gegründet. 2016 waren es noch gut 8.000. Im forschungsintensiven Teil der Industrie brach die Zahl der Neugründungen im Vergleich zu 2023 um 20,8 Prozent ein. Es zeigt sich: Die Industrie und ihr Innovationspotenzial sind die großen Verlierer des Reformstaus in Deutschland. Der Unternehmensbestand schrumpft, Arbeitsplätze gehen verloren, Investitionen in die Zukunft bleiben aus. Auch ZEW-Wirtschaftsforscherin Dr. Sandra Gottschalk sieht die Entwicklung kritisch: „Der Rückgang bei forschungsintensiven Industriegründungen könnte dazu führen, dass künftig weniger innovative Produkte auf den Markt kommen. Das schwächt bereits heute die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.“

Baugewerbe unter Druck – Hoffnungsträger IT

Rückgänge zeigen sich auch im Baugewerbe. 2024 sank die Zahl der Neugründungen dort um 12,7 Prozent auf nur noch rund 14.700 und damit gut 5.500 weniger als 2019. Hauptursachen sind gestiegene Rohstoff- und Energiekosten, höhere Zinsen und die anhaltende Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung.

Hoffnungen auf eine wieder stärkere Dynamik für das Gründungsgeschehen ruhen hingegen auf den Bereichen technische Dienstleistungen sowie Informations-, Kommunikations- und Netzwerktechnologien (IKT). Hier gab es zwischen 2016 und 2021 neue Impulse durch einen Anstieg der Gründungszahlen – etwa durch Künstliche Intelligenz (KI). Doch auch hier hinterlässt die Rezession Spuren: Die Zahl der Start-ups geht wieder zurück, nachdem sie in den Jahren zuvor stark gewachsen war – in der Softwarebranche aktuell beispielsweise um 20 Prozent. „Digitale Technologien gewinnen zwar an Bedeutung, doch auch sie sind nicht immun gegen die schwache Konjunktur“, erklärt ZEW-Wirtschaftsforscherin Gottschalk.

Gezielte Förderung innovativer Unternehmen notwendig

Die Studie macht insgesamt deutlich: Deutschland erlebt nicht nur einen quantitativen Rückgang an Gründungen, sondern auch eine qualitative Verschiebung. Die Substanz tragfähiger, wachstumsorientierter Industriegründungen nimmt ab, während eher konsumnahe Dienstleistungen zulegen. Für eine Volkswirtschaft, die traditionell auf ihre industrielle Stärke baut, ist dies ein Warnsignal.

Um die Gründungstätigkeit wiederzubeleben, braucht es eine gezielte Unterstützung innovativer Unternehmen. Eine breite Förderung nach dem Gießkannenprinzip ist wenig zielführend. Sinnvoller sind steuerliche Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Konzentration auf Gründungen mit echtem Innovations- und Wachstumspotenzial. Auch die Stärkung technologieorientierter Dienstleistungen ist zentral. Branchen wie Softwareentwicklung oder IKT haben sich in den vergangenen Jahren als besonders dynamisch erwiesen, sie treiben die Digitalisierung voran und können nachhaltige Wachstumsimpulse setzen. Parallel dazu bedarf es eines echten Bürokratieabbaus. Schnelle und digitale Gründungsverfahren würden nicht nur Zeit und Kosten sparen, sondern vor allem ein wichtiges Signal senden: Deutschland will wieder Gründerland sein.

Die Zukunft der deutschen Wirtschaft wird nicht allein von Konzernen entschieden, sondern von denen, die heute den Mut haben, Neues zu wagen.

Quellen:
www.creditreform.de
www.zew.de



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