Wann lohnt sich der Investitionsbooster?

Er soll ein Abschreibungsturbo sein, der Investitionsbooster der Bundesregierung. Er ermöglicht, dass Kosten für Investitionen schneller mit Gewinnen verrechnet werden können. Doch die Freude unter Unternehmern könnte größer sein. Wir zeigen, unter welchen Bedingungen der Booster Schub verleiht.

Melanie Baum zählt nicht zu den Menschen, die gleich alles schwarzreden. Im Gegenteil, die Geschäftsführerin von Baum Zerspanungstechnik aus Marl im nördlichen Ruhrgebiet, begrüßt den Investitionsbooster mit warmen Worten. „Die geplanten Abschreibungsvorteile sind ein richtiger erster Schritt“, so die Unternehmerin, die auch in den „Beirat für die Junge Digitale Wirtschaft NRW“ berufen wurde. „Sie können kurzfristig Investitionsentscheidungen anstoßen und Liquidität freisetzen.“

Ein gutes Signal aus Berlin. Seit dem 1. Juli dürfen Unternehmen neu angeschaffte Maschinen, Geräte und Fahrzeuge beschleunigt abschreiben: Im ersten Jahr können sie 30 Prozent der Anschaffungskosten mit ihrem Gewinn verrechnen. Im zweiten und dritten Jahr sollen erneut 30 Prozent auf den restlichen Wert geltend gemacht werden können. Der Investitionsbooster ist gezündet und „brennt“ also drei Jahre. Aber wem hilft er beim Durchstarten?

Fest steht: Das „Zusatztriebwerk“ – so die Funktion eines Boosters in der Raumfahrt – wird auch von Volkswirten weitgehend positiv bewertet. 84 Prozent der vom ifo Institut befragten Ökonomen halten die Maßnahme für gut oder sehr gut. Auch Hans-Jürgen Wolter vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn sieht Vorteile. Denn üblicherweise schreiben Unternehmen Ausrüstungsinvestitionen über die Jahre der Nutzungsdauer linear ab. Bei einer gängigen Zeitspanne von zehn Jahren wären das also 10 Prozent jedes Jahr. Der vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf erlaubt nun eine degressive Absetzung für Abnutzung. Das heißt: Die Steuerzahlungen fallen zunächst gering aus und steigen dann an.

Und nicht nur das. Der Investitionsbooster ist Teil eines größeren Pakets. Dazu gehört für Kapitalgesellschaften eine schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 von 15 auf 10 Prozent im Jahr 2032 sowie für alle Unternehmen eine forcierte Abschreibung von 75 Prozent der Anschaffungskosten für Elektrofahrzeuge im Investitionsjahr bis Ende 2027. Auch soll der Thesaurierungssteuersatz nach § 34a EStG für nicht entnommene Gewinne bis zum Jahr 2032 in drei Stufen von derzeit 28,25 Prozent auf 25 Prozent sinken. 

Alles bereit also für die Wirtschaftswende? So gut sind die geplanten Maßnahmen offenbar dann doch nicht. Volkswirte wie Hans-Jürgen Wolter mahnen generelle Verbesserungen der Rahmenbedingungen wie Bürokratieabbau an. Ähnliches berichtet Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Vereins Die Familienunternehmer. Sie spricht von einer „zaghaften Maßnahme“ statt eines richtigen Boosters. Möglicherweise ergebe sich aber zumindest ein psychologischer Effekt, eine Art „Stimmungsaufheller“. Was die Wirtschaft wirklich brauche, sei eine Absenkung aller Unternehmenssteuern, also auch der für Personengesellschaften wichtigen Einkommensteuer.
 

Keine langfristigen Steuervorteile

Auch Melanie Baum ist nicht rundum glücklich mit dem Investitionsbooster: „Der Effekt ist zeitlich stark begrenzt. Nach ein bis zwei Jahren verpufft er, weil sich über den gesamten Investitionszeitraum keine echten steuerlichen Vorteile ergeben.“ Wie Verbandspräsidentin Ostermann plädiert die Unternehmerin aus dem Ruhrgebiet für eine Absenkung von Unternehmenssteuern bereits Mitte 2026 statt 2028. Doch dass die Steuerreform vorgezogen wird, ist Beobachtern zufolge unrealistisch.

Also bleibt es zunächst beim Investitionsbooster. Den betriebswirtschaftlichen Nutzen beschreibt Susanne Hüttemann, Partnerin bei KPMG Deutschland, so: „Generell verbessert eine solche Abschreibung die ­Liquidität eines Unternehmens unmittelbar nach der Investition.“ Und weiter: „Voraussetzung für eine ­positive Wirkung ist, dass ein Betrieb nach der Investition einen Gewinn erzielt und damit eine niedrigere Ertragsteuerbelastung auch realisiert wird.“ Wegen des degressiven Verlaufs der Abschreibung sei der Vorteil vor allem in der Anfangsphase der Investition gegeben. Dieser Effekt kehre sich während der ­Nutzungsdauer um. „Denn die in späteren Jahren niedrigere Abschreibung führt zu einer höheren Steuerbelastung, sodass unter der Annahme eines konstanten Steuersatzes insgesamt kein Vorteil mehr gegeben ist.“ Immerhin, fährt Hüttemann fort, „ist betriebswirtschaftlich ein in der Zukunft zu zahlender Betrag heute weniger wert als ein heute zu leistender Betrag. Das ist der Diskontierungsvorteil“. Ihr zufolge ist der Effekt für ein Unternehmen grob formuliert besonders groß, bei: a) hohen Investitionen mit Gewinn, b) Investitionsgütern mit langer Nutzungsdauer und c) einem hohen Zinssatz am Kapitalmarkt.

Dass ein zu versteuernder Gewinn vorliegen muss, steht also fest. Bei einer kurzen Nutzungsdauer wiederum wäre der Unterschied zwischen degressivem und linearem Abschreibungssatz nicht mehr so groß. Und was das Zinsniveau betrifft, so gilt Wirtschaftsprüfern zufolge zweierlei: Wird eine Investition per Kredit finanziert, erhöht sich der Vorteil der beschleunigten degressiven Abschreibung mit steigenden Sollzinsen – immer vorausgesetzt, am Ende bleibt ein entsprechend hoher Gewinn. Das Zinsniveau hat auch bei einer Eigenfinanzierung Einfluss. Denn der Ertrag aus der Investition muss mindestens so hoch wie der Kapitalmarktzins sein, ansonsten könnte das Unternehmen sein Geld – vermutlich weniger riskant – gleich in eine Geldanlage investieren. Grundsätzlich nimmt bei einem hohen Zinsniveau die Investitionstätigkeit ab. Das gilt auch für den Fall, dass eine Investition fremdfinanziert wird und die Kreditzinsen zusätzlich erwirtschaftet werden müssen.
 

Booster? Ein überzogener Begriff

Auch Hans Weggenmann, geschäftsführender Partner bei Rödl & Partner, hält die Maßnahme für „viel zu kurz befristet“. Der Begriff Booster sei überzogen. Er rechnet mit einem Vorziehen ohnehin geplanter Investitionen. Eventuell würden einige Unternehmen die zusätzliche Liquidität für sonst nicht getätigte Investitionen nutzen. Dann könne es zu einem mehr oder weniger kräftigen Wirtschaftsaufschwung kommen. Die Chancen dafür stiegen, wenn der Gesetzgeber unter Ausrüstungsinvestitionen auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie Software verstehen würde. Das würde dem Bedarf an Digitalisierung gerecht. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums teilte auf Anfrage allerdings mit, dass nur körperliche Gegenstände unter den Begriff fallen.

Zudem verweist Weggenmann auf einen Sonderfall für Kapitalgesellschaften: Das Zusammenspiel von degressiver Abschreibung und verminderter Körperschaftsteuer ab 2028 könne doch zu einer effektiven Steuerentlastung führen. „Das Abschreibungspotenzial wird in Jahre mit höherem Steuersatz vorgezogen, während das geringere Abschreibungspotenzial später auf einen niedrigeren Satz trifft.“

Insgesamt also hat der Investitionsbooster ein paar betriebswirtschaftliche Implikationen, deren Vorteilhaftigkeit jedes Unternehmen für sich analysieren muss. Dafür ist eine fundierte Investitionsplanung erforderlich – bei Bedarf mithilfe von externen Beratern. Um die einzelnen Effekte gut nachvollziehen zu können, ist das Instrument des Vollständigen Finanzplans (VoFi) sinnvoll. Hierauf weist Peter Hoberg, inzwischen emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Worms, in einem Fachaufsatz hin.

Dort hat er den betriebswirtschaftlichen Nutzen der beiden Abschreibungsvarianten anhand einer Beispielinvestition verglichen. Das Ergebnis beschreibt der Wissenschaftler so: „Betriebswirtschaftlich ist die Wirkung vorgezogener Abschreibungen eher gering. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass in weniger gut informierten Unternehmen eine Wirkung – und sei es nur eine psychologische – ausgelöst wird, weil sie unbedingt Steuern „sparen“ wollen und nicht daran denken, dass die Vorteile zu einem großen Teil im Laufe der späteren Jahre wieder abschmelzen.“ Gerade bei einer kurzfristigen Ausrichtung könne die degressive Abschreibung dann ein Anreiz sein – und der positive Liquiditätseffekt in den ersten Jahren bliebe in diesem Fall.

Und was bringt nun also der Investitionsbooster? In einer nüchternen, rein betriebswirtschaftlichen Betrachtung ist der Effekt eher gering. Sieht man ihn mehr als Stimmungsaufheller denn als reinen Abschreibungsturbo, birgt er durchaus Potenzial und kann sich positiv auf das Investitionsgeschehen auswirken. Denn schon Ludwig Erhard wusste: Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie.

Betriebswirtschaftlicher Nutzen

Laut KPMG verbessert der Investitionsbooster die Liquidität eines Unternehmens direkt nach der Investition. Außerdem senkt er zunächst die Ertragsteuerbelastung, falls mit der Investition ein Gewinn erzielt wird. Außerdem birgt er unter bestimmten Bedingungen einen Diskontierungs- oder Abzinsungsvorteil. So nennt man die Reduzierung des Wertes einer zukünftigen Zahlung auf ihren heutigen Wert. Vereinfacht gesagt, ist dieser Vorteil besonders groß bei hohen Investitionen mit Gewinn, Investitionsgütern mit langer Nutzungsdauer sowie einem hohen Zinssatz am Kapitalmarkt.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Terliesner
Bildnachweis: Getty Images



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