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Patrik-Ludwig Hantzsch
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Die Zahl der Schließungen von Unternehmen hat 2023 zugenommen. Wie die aktuellen Zahlen von Creditreform und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigen, haben im letzten Jahr gegenüber dem Vorjahr 2,3 Prozent mehr Unternehmen ihre Pforten geschlossen.
Insgesamt sind 176.000 Betriebe – dazu gehören auch Freiberufler und Kleinstunternehmen – weniger zu zählen. Diese Zunahmen sind im Zusammenhang mit den Insolvenzen zu sehen, bei denen es sogar zu zweistelligen Zuwächsen gekommen ist. Rund 11 Prozent der Schließungen waren Insolvenzfälle – es handelte sich also um die unfreiwillige Aufgabe des Geschäftsbetriebs. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang, dass in vielen Fällen die Schließung tatsächlich nicht freiwillig war. Der wirtschaftliche Druck, etwa durch das Fehlen einer Nachfolge, Strukturänderungen durch das Internet oder Personalmangel, führte dazu, dass Schulden und Verbindlichkeiten beglichen wurden und sich die Tore dann schlossen.
Der Mannheimer Unternehmenspanel, auf dem die Zahlen beruhen, wird bereits seit zwei Jahrzehnten geführt. So sind auch längerfristige Vergleiche möglich. Noch 2018 lagen die Schließungszahlen über einen längeren Zeitraum gesehen auf einem niedrigen Stand. Aktuell stehen sie bei 6 Prozent über den Werten von vor der Corona-Pandemie. Diese hat nicht nur die Insolvenzzahlen nach unten bewegt, sondern auch die Schließungen. So erreichte im Jahr 2020 das Schließungsgeschehen einen Tiefpunkt. Hier machten sich die staatlichen Hilfsmaßnahmen bemerkbar, die verhinderten, dass trotz Einstellung der wirtschaftlichen Aktivität durch den Lockdown eine Aufgabe des Betriebes erfolgte.
Ist die Schließung eines Betriebes immer ein Verlust für die Volkswirtschaft? Nicht immer, aber ein näherer Blick auf die Branchen zeigt, dass nun besonders gesamtwirtschaftlich wichtige Sektoren wie die Industrie von höheren Schließungszahlen betroffen sind. Dies macht besonders ein Vergleich der Wirtschaftssektoren von 2018 und 2023 deutlich. Insgesamt haben sich die Zunahmen bei den Schließungen im Fünfjahresvergleich nur wenig verändert. Waren 2018 noch 5,5 Prozent Geschäftsaufgaben zu registrieren, so sind es 2023 5,8 Prozent (jeweils bezogen auf den Unternehmensbestand aus dem Vorjahr). Während aber beim Handel etwa die Schließungen zurückgegangen sind (2023: 6,2 Prozent, 2018: 6,3 Prozent), haben sie im Verarbeitenden Gewerbe deutlich zugenommen: Nunmehr liegt ihr Anteil am gesamten Schließungsaufkommen bei 5,9 Prozent, fünf Jahre früher lag er bei 4,3 Prozent. In der aktuellen Krise haben sich die Schließungszahlen im Baugewerbe nur wenig verändert – ihr Anteil lag 2018 bei 5,0 Prozent und steht nunmehr bei 5,2 Prozent.
In der politischen Diskussion ist vielfach die Rede von einer De-Industrialisierung Deutschlands. Gerade am aktuellen Rand durch den Ukraine-Krieg haben sich Hürden aufgebaut, welche die deutsche Industrie im internationalen Vergleich heftig behindern. Das reicht von den hohen Energiepreisen und den Anforderungen durch Umweltschutzmaßnahmen über die Innovations- und Investitionsschwäche bis hin zu den unterbrochenen Lieferketten, die zu Produktionsausfällen führten. Entsprechend zeigen sich von der Vielzahl von Schließungen manche Branchen innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes weniger betroffen. Dazu gehören etwa Bereiche wie die Herstellung von Sportgeräten oder Spielwaren sowie die Produktion von Möbeln oder Musikinstrumenten. Wirklich prekärer ist die hohe Zahl von Aufgaben in den für Deutschlands Exportwirtschaft wertvollen Bereichen, die auf einem hohen Forschungsniveau beruhen. In diesen forschungsintensiven Sektoren wurden 2023 1.700 Schließungen registriert. Das sind über 12 Prozent mehr als im Vorjahr und betrifft Branchen, wie die Chemieindustrie, die Elektrotechnik, den Maschinenbau und den Fahrzeugbau, die geradezu sprichwörtlich für den Level des Industriestandorts Deutschland stehen.
Ein Beispiel für die negativen Entwicklungen in den relevanten Wirtschaftsbereichen gibt die Chemieindustrie. Die Schließungszahlen von 2023 mit 360 betroffenen Betrieben liegt um 80 Prozent über dem Wert von 2018. Es ist zu vermuten, dass die hohen Schließungszahlen in der Chemie auch auf die stark gestiegenen Energiepreise zurückzuführen sind. Verstärkt wird die Entwicklung durch die geringeren Gründungszahlen. Das Gründungsgeschehen in Deutschland befindet sich schon seit einiger Zeit in einer Abwärtstendenz, die sich aktuell beschleunigt hat. Im Verarbeitenden Gewerbe waren 2018 noch 6,7 Prozent aller Unternehmen tätig, aktuell sind es 6,4 Prozent. Auch wenn eine geringere Anzahl von Unternehmen nur Zeichen einer stärkeren Konzentration ist und nicht unbedingt mit einem Rückgang an Produktion einhergehen muss, so bleibt im Hinblick auf Innovationen doch eine Lücke. Das ZEW führt dazu aus: „Das Schrumpfen forschungsintensiver Branchen ist keine gute Voraussetzung für notwendige Innovationen, die die Grundlage zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und für Wachstum sind.“
Aber auch andere Bereiche der Wirtschaft spiegeln ihre Entwicklung in den Schließungszahlen. So haben etwa im Grundstücks- und Wohnungswesen die Schließungen um 14 Prozent zugenommen. Dagegen zeigt der Tourismusbereich eine fallende Zahl von Schließungen im Zeichen von Überschriften wie: „Die Deutschen reisen wieder“. Beim Gesundheitssektor ist zu unterscheiden, ob es sich um eine mehr oder weniger freiwillige Schließung oder um eine Insolvenz handelt. Während in der Branche seit 2020 die Schließungen etwas zugenommen haben und 2023 gegenüber dem Vorjahr sogar ein wenig abnahmen, sind die Insolvenzen deutlich gestiegen. Vom Pflegenotstand, nicht zuletzt durch Personalmangel, über unrentable Krankenhäuser und neue Konkurrenz durch Internet-Apotheken ist der Gesundheitssektor stark betroffen. In der Immobilienwirtschaft legen nicht nur die Schließungen zu, sondern auch die Insolvenzen. Die hohen Zinsen und die Rückgänge der Bautätigkeit machen dem Wirtschaftssektor zu schaffen.
Der Blick auf das Schließungsgeschehen im Jahr 2023 und der Vergleich der Zahlen in den letzten Jahren lässt gerade für den forschungsintensiven Industriebereich Sorgen aufkommen. Die steigenden Schließungen sind nicht nur Ausdruck der aktuellen Krise, sondern auch einer strukturellen und langfristigen Problematik.
Quelle: Mannheimer Unternehmenspanel (MUP), Creditreform/ZEW
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