Creditreform Magazin

Company Builder: Wegbereiter der Digitalisierung

Company Builder gründen und finanzieren Start-ups. Sie tun das im Auftrag eines Konzerns oder auf eigene Faust. Auf jeden Fall kreieren sie gute Ideen und neue Geschäftsmodelle.

Sie heißen Körber Digital, Vent.io und wattx. Es sind unternehmerische Ausgründungen von etablierten Unternehmen, quasi deren neugierige Töchter, die Platz zum Spielen und Ausprobieren brauchen und deshalb den notwendigen Freiraum von ihren Müttern bekommen. Mit ihren Erfahrungen stehen sie selbst anderen Start-ups zur Seite – als Berater und Finanziers. Häufig sind sie der entscheidende Erfolgsfaktor im Gründungs- und Wachstumsprozess. Daher der Name Company Builder. 

Körber Digital gehört zur Körber Gruppe, die Verpackungen für Arzneimittel herstellt und Technologien für die Logistik anbietet. Um die digitale Transformation des Konzerns voranzutreiben, wurde im Jahr 2018 das Geschäftsfeld Digital geschaffen. Ein Jahr später entstand daraus Körber Digital als eigenständiges Unternehmen. Jetzt geht es auch um die Transformation der fertigenden Industrie, also das große Ganze.

Company Builder entwickelt Software-Lösungen

Wie Daniel Szabo, CEO von Körber Digital, im Gespräch mit Creditreform betont, dreht sich dabei alles um Künstliche Intelligenz (KI). „Körber Digital entwickelt maschinenagnostische Software-as-a-Service-Lösungen, um die Effizienz der fertigenden Industrie zu erhöhen.“ Mehrere Portfoliounternehmen hat der Company Builder auf den Markt gebracht – zum Beispiel die KI-Lösung von FactoryPal, die den Zustand einer Produktionsanlage in Echtzeit überwacht und Tipps gibt zu Maschineneinstellungen. Und InspectifAI, eine Anwendung, die KI für die visuelle Inspektion in der Pharmaindustrie zugänglich macht.

Vent.io ist eine Weiterentwicklung der Digitaleinheit der Deutschen Leasing Gruppe. Vor zwei Jahren wurde die Tochter gegründet. „Unter dem Dach einer eigenständigen GmbH kann das Vent.io-Team schneller und flexibler agieren und hat die größtmögliche unternehmerische Freiheit bei der Suche nach digitalen Innovationen“, erklärt Kai Ostermann, Chef der Deutschen Leasing. Die Eigenständigkeit ist kein Selbstzweck. Denn die Tochter testet und entwickelt digitale Geschäftsmodelle, Produkte und Services, „um die digitale Kompetenz der gesamten Gruppe auszubauen.“

Investitionen in Start-ups

Dafür baut Vent.io das Netzwerk innerhalb der Start-up-Szene aus, kooperiert mit Start-ups und investiert in einer frühen Phase in Jungfirmen oder nur in Ideen (Early Stage-Investments). Die Höhe einer Beteiligung beträgt bis zu 750.000 Euro, so dass in der Regel ein Minderheitsengagement daraus resultiert. Maximal investiert Vent.io 1,5 Millionen Euro in ein Start-up. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Investment ist Enlyze. Das Unternehmen macht – einfach formuliert – Maschinendaten für Menschen verständlich. Dabei kommen KI-Modelle und Cloud-Lösungen zum Einsatz.

Reichlich Erfahrung als Company Builder hat wattx, eine Ausgründung des Heizungsbauers Viessmann. 2015 gegründet, schiebt wattx seit Jahren Gründungen mit an. Über 100 Projekte, 15 digitale Produkte und acht ausgegründete Start-ups stehen auf der Habenseite, darunter Statice, Hasty, Snuk und Stryza. wattx sucht den Schulterschluss mit dem Mittelstand. „Co-Creation ist für uns der Schlüssel für schnelle und wirkungsvolle Innovation“, sagt Co-Geschäftsführer Simon Müller. Und weiter: „Wir wollen mittelständische Akteure und ihre Einzelkomponenten schlau zusammenbringen, unser Wissen bündeln und Schnelligkeit ermöglichen – außerhalb des Kerngeschäfts.“ Partner sind zum Beispiel Netzsch, Oerlikon und Siegwerk. 

Das Venture Snuk ist auf Verbesserungen von Krankenhausprozessen spezialisiert. Nach dem Exit, also der Veräußerung der Beteiligung, ist Snuk in die Bewatec, einem Anbieter von Hard- und Software für Kommunikation in Krankenhäusern, migriert. Dort ist Snuk nun ein Teil von Gesundheitsanwendungen namens Connected Care.

Company Builder erkunden neue Technologien

Neben Company Buildern mittelständischer Unternehmen gibt es auch solche im Besitz von DAX-Konzernen. Beispiele sind BMW Startup Garage von BMW, Techboost von der Deutschen Telekom und Lufthansa Innovation Hub von der Lufthansa. Das Beratungsunternehmen TLGG Consulting hat dabei unterstützt, Lufthansa Innovation Hub und Vent.io auf die Schiene zu setzen. Christoph Kayser, Leiter der Business-Unit bei TLGG erklärt die Motivation zur Gründung eines eigenen Company Builders:

„Für etablierte Unternehmen ist oft die Veränderung von Wertschöpfungsmodellen durch softwarebasierte Geschäftsmodelle eine unüberwindbare Herausforderung.“

Es fehlten Flexibilität und Freiräume, um sich parallel zum Kerngeschäft mit Neuem zu beschäftigen. „Daher kann es sinnvoll sein, eigene Einheiten aufzubauen, die neue Technologien ausprobieren und Geschäftsmodelle explorieren und ausgründen.“ Eine erfolgreiche Einheit, so Kayser weiter, „hebelt die Vermögenswerte der Muttergesellschaft“. Diese seien neben einem Budget vor allem Kundenkontakte, Branchenexpertise und Daten. „Das Verfügbarmachen dieser Assets ist ein zentraler Erfolgsfaktor und scheitert häufig, nicht zuletzt an der kulturellen Mitnahme der Kernorganisation.“ 

Company Builder als selbstständige Gesellschaften

Völlig losgelöst von den strategischen Interessen der Mutter agieren die Ausgründungen nicht. Aber es gibt auch unabhängige Company Builder. Ein Beispiel ist P-ton mit Sitz in Bielefeld. Der Wegbereiter wurde vor zwei Jahren von dem Ex-Telekom-Manager Jürgen Hase und seinem Sohn gegründet. Hase steht an der Spitze des Unternehmens, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, „zwischenmenschliche Interaktion durch digitale Möglichkeiten zu fördern“. Aktuell sind in der Start-up-Manufaktur acht Anlauffirmen unter Vertrag, vier davon sind als selbstständige Gesellschaft ausgegründet. Ein Beispiel ist meet-2-play, das eine hybride Spielkonsole für Familien anbietet, die analoges Brettspiel mit digitalen Bedientafeln verbindet. Und stay-2-discover mit dem Angebot Rodinia. Es ermögliche Nutzern eine gemeinsame Reise in ferne Länder „ohne dabei durch die Welt zu reisen“, so Hase.

Insgesamt also gibt es wohl unendlich viele Ideen für neue Geschäftsmodelle, die sich dann am Markt bewähren müssen. Company Builder – ob nun konzerneigene oder völlig unabhängige – ebnen ihnen den Weg.

Erfolgsfaktoren für den Aufbau eines Company Builders

Frage: Was braucht ein Unternehmen für eine erfolgreiche Ausgründung?

  • 1. Commitment: Klare Zusage des Vorstands / der Geschäftsführung und klare Zielvorgaben, sonst wird CB vom Kerngeschäft für ausbleibende Erfolge abgestraft.
  • 2. Relevanz: Klarer und nachvollziehbarer Auftrag für das Kerngeschäft. Mehrwert für die Organisation sollte nach einer Anlaufphase deutlich erkennbar sein.
  • 3. Wissen: Externe Besetzung (mind. 75 %) der Team-Mitglieder, um „Betriebsblindheit“ vorzubeugen und neue Talente zu gewinnen.
  • 4. Netzwerk: Pflege eines Netzwerks innerhalb und außerhalb der Organisation, wie Start-ups, Venture Capital-Szene, Vergleichsunternehmen etc.
  • 5. Steuerung: Langfristige Intention (etwa 5 Jahre), kurze Entscheidungswege und Bereitstellung entsprechender Budgets und Ressourcen.

Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Terliesner
Bildnachweis:  istock.com / jacoblund